

Ein paar Kurzgeschichten:

spannend
Nature Fest umklammerten ihre mageren Arme ihre zitternden Knie und sie machte sich so klein wie möglich. Ihre Atmung hatte sie auf ein Minimum reduziert, um nur ja keinen Laut zu machen, doch ihr Herz hämmerte so brachial gegen ihre Brust, dass sie fürchtete, man könnte es hören. Es war schon extrem dreist, ausgerechnet in einem seiner eigenen Flugzeuge zu fliehen. Wenn sie diese Frechheit mitbekämen, würde das ihren sicheren Tod bedeuten. Doch tot war sie sowieso schon gewesen in dem Moment, als sie das Knacken an ihrer Tür wahrgenommen hatte. Nur ihrer Wachsamkeit und ihrer Voraussicht hatte sie es zu verdanken, dass sie es nicht schon war. In der allerletzten Sekunde war sie aus ihrem Schlafzimmerfenster gesprungen, gerade noch rechtzeitig, bevor sie sie erwischen konnten. Sie wünschte, sie hätte noch Zeit gehabt, ein paar Habseligkeiten zusammenzupacken. Ihr Knöchel schmerzte. Su ließ einen Arm los und rieb sich mit der Hand ihre rechte Fessel, um den pulsierenden Schmerz etwas zu lindern. Der Sprung aus dem ersten Stock war riskant gewesen, doch sie hatte keine Wahl. Unten aufgekommen, war sie ins Straucheln geraten, hatte sich jedoch trotz des stechenden Schmerzes hochgerappelt und war nur noch gerannt. Sie hatte nicht zurückgeblickt, wollte nicht wissen, ob man sie gesehen hatte. Rannte einfach weiter, bis sie sich in ein Gebüsch fallen ließ und bitterlich heulte. Niemand kam ihr nach und so konnte sie nach einer Weile ein wenig zur Ruhe kommen und ihre nächsten Schritte überlegen. Wo konnte sie hin? Freunde und Verwandte waren keine Option, sie würde sie in ihre Miesere hineinziehen und am Ende des Tages waren dann möglicherweise nicht nur sie, sondern noch weitere Menschen tot. Wehmütig dachte Su an ihre kleine Schwester. Sie würde sie vermissen. Toni hatte keine Ahnung in welche Schwierigkeiten sie sich gebracht hatte. Niemand wusste das, nur ihr Gläubiger! Einmal, es war schon Jahre her, hatte sie Google nach ihrer Spielsucht befragt. Die ernüchternde Antwort hatte ihr damals erheblich zugesetzt. Eine Spielsucht bezeichnet eine Impulskontrollstörung, die es dem Betroffenen unmöglich macht, auf Glücksspiele, Computerspiele, Gewinnspiele etc. zu verzichten auch wenn bereits private, persönliche oder finanzielle Probleme sichtbar werden. Rund zwei Drittel der Betroffenen sind Männer. Doch diese Beschreibung traf das, was sie fühlte, zu einhundert Prozent. Ja, es waren meist Männer betroffen, doch in ihrem Fall lag die Sache eben anders. „Impulskontrollstörung“, das war exakt das, was sie empfand, wenn sie das Wort Casino las oder hörte, was sie in sich kribbeln spürte, wenn sie Spielkarten sah, oder Chips. Filme, die vom Pokern, Roulette oder Blackjack handelten, hatten auf sie eine Wirkung, wie wenn man einem trockenen Alkoholiker eine Flasche Gin vor die Nase stellt. Wieso hatte sie sich so schlecht unter Kontrolle? Wieso bekam sie ihre Sucht nicht in den Griff, trotz psychologischer Hilfe? Alles was sie sich erarbeitet hatte, war in dem Moment vergessen, in dem sie durch die Tür eines Casinos schritt. Es war, als hörte sie die Engel singen und eine magische Kraft lenkte sie schnurstracks zu den Spieltischen. Aber es waren nicht nur Spielkarten, die sie faszinierten. Su war gegen so gut wie keine Art von Glückspiel resistent. Wenn an den Tischen kein Platz war, setzte sie sich an die Automaten und stand erst wieder auf, wenn ihr gesamtes mitgebrachtes Geld aufgebraucht war. Manchmal erniedrigte sie sich sogar dermaßen, dass sie andere Spieler um Geld bat, sie regelrecht anbettelte. Öfter, als man vielleicht denken mochte, hatte sie damit Erfolg. Sie war ihrer Sucht hilflos erlegen, hatte ihren Job seit Monaten nicht mehr ernst genommen, fehlte häufig und kündigte schließlich, weil sie es mittlerweile kaum zwei Stunden ohne Spielen aushielt. Das Geld besorgte sie sich mit kleinen Betrügereien, Diebstählen und in letzter Zeit per Kredit von einem Mann, mit dem nicht zu spaßen war. Es war aussichtslos, all dem je zu entkommen, denn sie hatte nicht die Kraft gegen ihre Sucht anzukämpfen. Suizid war schon seit längerem ein Ausweg, den Su in Betracht zog. Doch die Sucht war so stark, dass sie die Selbstmordabsichten bei weitem überragte. Wenn sie tot war, konnte sie nicht mehr spielen. Diese Vorstellung war kaum auszuhalten. Su war klar, dass sie ihre Schulden würde niemals zurückbezahlen können. Das war James seit einiger Zeit auch klar geworden, und seitdem war er hinter ihr her. Sus Lippen kräuselten sich zu einem bitteren Lächeln bei dem Gedanken, wie lange James gebraucht hatte, ihre Bleibe ausfindig zu machen. Beziehungsweise seine untauglichen Handlanger. Sie alle zusammen hatten vermutlich nicht einmal den IQ einer Kakerlake. Doch nun hatten sie sie gefunden und ein Zurück gab es ab jetzt nicht mehr. Wieviel Geld sie James schuldete, wusste sie nicht. Es gab keinen Grund darüber nachzudenken, denn es war egal. Sobald sie an Geld kam, trug sie es augenblicklich in die nächste Spielhalle oder ins Casino. Sie würde nie, niemals in ihrem Leben, so viel ansparen können, um ihre Schulden zu bezahlen. Ihr Ende war also völlig klar. Der Tod durch eine der Kakerlaken. Dass sich James persönlich ihrer annahm, war höchst unwahrscheinlich. Das würde sich jedoch nun vielleicht ändern, falls er mitbekam, dass sie eines seiner Drogenflugzeuge zur Flucht verwendete. Wenn er das herausbekam, würde er schäumen vor Wut. Unbehaglich rutschte Su zwischen größeren und kleineren Kisten herum, hinter die sie sich gequetscht hatte. Es würde einem Wunder gleichkommen, wenn sie die Fracht nicht noch einmal kontrollierten, bevor sie abflogen. Dann war sie geliefert. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht. Hier saß sie in der Falle. Sie hatte James vor zwei Jahren in einer Bar kennengelernt, in der sie sich öfter herumtrieb. An zwei der Wänden hingen Spielautomaten und sie war eine von denen, die Abend für Abend ihr sauer verdientes Geld in diese Apparate warf, nur um ihre Sucht zu befriedigen. James saß an der Theke und beobachtete sie. Er war nicht unattraktiv und als ihr Geld aufgebraucht war, hing sie den restlichen Abend an ihm dran. Er war großzügig und spendierte ihr einen Drink nach dem anderen. Legte seine Hände auf ihren Hintern und drückte sie immer wieder an die Beule in seinem Schritt. Je mehr Su getrunken hatte, desto mehr klammerte sie. Das war eine Reaktion auf den Alkohol. Sie kannte das, konnte jedoch nichts dagegen machen. Wenn sie betrunken war, machte sie Männern schöne Augen und schmierte ihnen Honig ums Maul. Schob ihre Möpse nach vorne und hielt sie den Kerlen unter die Nase. Wurde Wachs in ihren Händen. Das schmeichelte dem selbstverliebten Fatzke offensichtlich und am Ende nahm er sie mit, wie sie sich erhofft hatte. Was dann kam war jedoch nicht im Sinne von Su. Der besoffene Typ rutschte über sie drüber, versuchte ihr umständlich seinen halbharten Schwengel hineinzudrücken, bevor er schnarchend ins Land der Träume entschwand. Die Mühe vorher von ihr herunterzusteigen, hatte er sich nicht gemacht. Als sie begriff, dass es mehr Sex nicht geben würde, hievte sie seinen schlaffen Körper mit enormer Kraftanstrengung von sich hinunter und verzog sich. Fest presste sie ihre Augen zusammen bei dieser Erinnerung. Noch nie im Leben hatte sie sich dermaßen erniedrigt und gedemütigt gefühlt. Doch sie hatte einiges über die Machenschaften von James erfahren an diesem Abend. Er hatte offen über seine illegalen Geschäfte vor ihr geprahlt, als hätte er keinerlei Sorge, sie könnte ihn hinhängen. Damals erfuhr sie, dass er Geld verlieh, zudem einen nicht allzu kleinen Drogenring unterhielt und sogar zwei Flugzeuge besaß. In einem davon saß sie in diesem Moment. Ein lautes Krachen schreckte Su aus ihren Gedanken. Es war soweit. Jetzt hieß es fifty-fifty. Entweder war sie gleich tot, oder diese Maschine würde ihre Rettung in die Freiheit bedeuten. Noch einmal krachte es und Sus Herz polterte noch heftiger, obwohl sie eben noch der Meinung gewesen war, heftiger ginge es nicht. Sie hörte Stimmen und dann das Geräusch einer Verriegelung. Die Tür war geschlossen worden. Gleich war es viel dunkler im Innenraum, was ihr sehr zu Gute kam. „Schnall dich an!“, kam es von vorne und für eine Millisekunde fühlte sich Su angesprochen, bis sie begriff, dass zwei Männer im Flugzeug waren. Vielleicht brauchte der Pilot den anderen zum Ausladen. Su umklammerte ihre Beine fester. Plötzlich fing der Boden unter ihrem Hintern zu vibrieren an, begleitet von lautem Motorengeräusch. Nach dem ersten Schrecken entspannte sie sich, weil sie begriff, dass nicht noch einmal nach der Ware gesehen wurde. Das Flugzeug setzte sich ruckartig in Bewegung und warf Su unsanft gegen einen harten Metallkoffer. Das verursachte einen dumpfen Laut. Su zuckte zusammen, getraute sich nicht zu rühren. Sie konnte die Beschleunigung des Flugzeuges spüren und nach einer extrem kurzen Zeit fühlte es sich an, als würde ihr jemand den Boden unter dem Hintern wegziehen. Sie waren in der Luft. Endlich erlaubte sie sich ein wenig durchzuatmen. Das Motorengeräusch war ohrenbetäubend, ganz sicher konnte man im Cockpit nichts anderes wahrnehmen, als das. Sie hörte die beiden Männer ab und zu über den Lärm hinwegbrüllen, doch nach einer Weile lullte das Brummen und die Vibration sie ein und sie döste weg. Zu Schlafen wagte sie nicht. Das war zu riskant. Jedoch hing sie ihren Gedanken nach und überlegte, was sie tun sollte, wenn sie landeten und sie es schaffen sollte unbemerkt aus dem Flugzeug zu kommen. Sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung wohin die Reise ging. Vielleicht würde sie in Mexiko landen oder in Kuba. Wohin konnte sie gehen? Ins nächste Casino flüsterte ihre innere Stimme ihr zu. Das war ironisch gemeint, doch Su konnte über ihren eigenen Scherz nicht lachen, denn das war alles andere als lustig. Einerseits, weil es das war, was sie in diese ausweglose Situation gebracht hatte, aber noch mehr, weil Su wusste, dass sie ganz genau das tun würde, sobald sie außer Gefahr war und sie Geld in die Finger bekommen würde. Verdammte Spielsucht! Ihre größte Sorge war im Moment, dass sie ohne einen einzigen Cent in dieses Flugzeug gestiegen war. Naja, gehechtet, traf es besser. Das Zeitfenster, indem kein Mensch auf dem Rollfeld gewesen war, war sehr kurz gewesen. Su dachte an ihre Handtasche, die im Flur in ihrer Wohnung auf der Kommode stand. Keine Chance sie noch mitzunehmen. Geld war da zwar auch keines drin, aber wenigstens ihre Ausweispapiere. Ohne könnte sie in echte Schwierigkeiten geraten. Lautes Rufen riss Su aus ihren Überlegungen. Die Stimmen, die von vorne kamen, klangen hektisch. Su versuchte zu verstehen, was sie brüllten, doch die Maschinen waren zu laut, um auch nur ein Wort zu verstehen. Die Wortfetzten, die es bis an ihre Ohren schafften, klangen auch nicht nach einer Sprache, die sie verstand. Jetzt ertönte ein Schreien von zwei Personen gleichzeitig, zusammen mit einem heftigen Rucken des ganzen Fliegers. Beim nächsten starken Rucken entfuhr auch Su ein Schrei des Entsetzens, den sie nicht zurückhalten konnte. Aber das interessierte sie auch nicht mehr, denn jetzt tobte plötzlich ein Sturm über ihr. Ein harter Gegenstand streifte sie am Arm und hinterließ ein höllisches Brennen. In ihrer Panik gefangen, klammerte sich Su an eine Stange, die neben ihr, vom Flugzeugboden bis zur Decke reichte und halbwegs stabil wirkte. Nun sah sie, dass ein Teil der linken Seite des Flugzeugs eingerissen war. Daher kam auch der hefige Wind. Hinter der Öffnung war es dunkel. Es musste bereits Nacht sein. Noch ein Rumpeln und nun schrien sie alle drei unisono bis das Flugzeug nach einem schrecklich langen holprigen Sinkflug abrupt stoppte und Sus Kopf gegen etwas Hartes prallte. Als sie zu sich kam war alles dunkel. Ihr Kopf dröhnte fürchterlich und sie hatte das Gefühl, er sei in der Mitte durchgebrochen. Ihr Arm brannte wie Feuer. Instinktiv griff sie mit der Hand an die Stelle und spürte, dass er nass war. Sie wischte das Nasse weg und gleich darauf war es wieder nass an der Stelle. Su sah überhaupt nichts. Es war so stockfinster, dass sie nicht einmal ihre eigene Hand sehen konnte, die sie sich vor die Augen hielt. Sie taste ihre unmittelbare Umgebung ab und stellte fest, dass sie sich höchstwahrscheinlich nicht mehr im Flugzeug befand. Der Untergrund war weich und ein wenig feucht. Ihr schmerzender Kopf wollte nicht arbeiten. Sie konnte einfach nicht darüber nachdenken, wie sie aus dem Flieger gekommen war. Hatte einer der Männer sie rausgezogen? Oder war sie hinausgeschleudert worden? Ihren Kopfschmerzen nach zu urteilen, war das sehr wahrscheinlich. Jetzt vernahm sie ein Stöhnen und zuckte heftig zusammen. Es kam nicht weit von ihr entfernt von ihrer rechten Seite. „Uhhhhhhhaahhhhrrrgg!“, hörte sie. Und dann gab es ein merkwürdiges Gurgeln. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sollte sie versuchen zu der Person zu gelangen? Was, wenn es hier einen Abgrund gab und sie blind vorwärts krabbelnd hineinstürzte? „Ahhhhhhhhhhhrrrggggg!“, erklang es wieder und es hörte sich nicht gesund an. Eher, als würde es keine zwei weiteren Ahhhhrrrgggs mehr geben. Außerdem, was brachte es ihr zu fliehen, wenn sie dann, nachdem sie einen von denen gerettet hatte, abgeknallt werden würde? Also beschloss Su das Risiko, ihren sicheren Platz zu verlassen nicht einzugehen. Sie blieb sitzen, hielt sich den Arm und kämpfte gegen das schrecklich schlechte Gewissen an, während das Röcheln immer leiser wurde und schließlich Ruhe einkehrte. Danach geschah nichts mehr. Su tastete den Boden um sich herum ab und legte sich dann hin. Es überkam sie eine bleierne Müdigkeit. Sie musste unbedingt schlafen, jetzt sofort, egal was mit ihr geschehen würde, sie wollte nur noch schlafen. Ein gefühlt einzelner Sonnenstrahl stach ihr ins linke Auge. Das konzentrierte Licht brannte sich durch ihr Augenlid und weckte sie aus ihrem traumlosen Schlaf. Für eine Millisekunde war alles in bester Ordnung. Für einen winzigen Augenblick, fühlte sie sich sicher, wähnte sich in ihrem Bett, doch dann schlug die Realität brutal zu. Der Absturz. Er drängte sich in ihr Gedächtnis. Das Schrecklichste waren die Laute gewesen, die sie alle drei ausgestoßen hatten, als sie in Todesangst hinabstürzten, nicht wissend wann der Aufprall kommen würde. Dieses Kreischen. Die Erinnerung daran stauchte ihre gesamte Haut zu einer schmerzhaften Gänsehaut zusammen. Und dann das Stöhnen gestern Nacht. Su sah sich blinzelnd um und blieb an einer Stelle hängen, die von lauter Blut rot eingefärbt war. Inmitten des Blutes lag eine Person. Sie rührte sich nicht und Su musste würgen. Die ganze Nacht hatte sie neben einer Leiche gelegen. Sie presste ihre Hand vor den Mund und musste feststellen, dass sie ebenfalls voller Blut war. Jetzt spürte sie sie wieder, ihre Wunde am Oberarm. Das Brennen hatte aufgehört, doch nun pochte sie. Su hob ihr T-Shirt an und wischte sich mit dem Saum hektisch das Blut vom Mund. Es schien schon trocken gewesen zu sein, aber sie wischte und wischte, bis ihr die Lippen brannten. Vorsichtig schob sie den Ärmel hoch und betrachtete den Schnitt auf ihrem Arm. Er ging tief. Noch nie zuvor hatte Su einen so tiefen Schnitt gesehen. Sie musste sehr viel Blut verloren haben. Und auch jetzt blutete er noch. Das erklärte vielleicht, warum sie so plötzlich schlafen wollte. Jetzt meldete sich auch ihr Kopf wieder. Er musste hart gegen etwas gestoßen sein. Er fühlte sich verletzt an. Überhaupt war ihr fürchterlich flau im Magen und ihr schwindelte. Langsam konnte sich Su der Umgebung widmen. Auch wenn sie tief hinten in ihrem Hirn wusste, dass noch ein zweiter Mann im Flugzeug gewesen war, konnte sie sich mit diesem Problem im Moment nicht befassen. Sie musste erst einmal herausfinden, wo sie sich befand. Doch dies zu erkennen war unmöglich. Überall um sie herum gab es nur Bäume. Sehr hohe Bäume. Die Bäume, denen sie vermutlich ihr Leben verdankte. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und dankte tatsächlich dem Wald für ihre Rettung. Soweit sie sehen konnte, als sie die Augen wieder aufschlug, war da nur Wald. Wilder Wald, keine bewirtschafteten Forstflächen. Das Brennen in ihren Augen kündigte Tränen an, als sie sich der Vermutung hingab, in einem Dschungel gestrandet zu sein. Wenn das zutraf, war es eine kurze Rettung. Sollten sie in Südamerika abgestürzt sein, konnten diese Wälder hunderte, ja wenn nicht tausende Kilometer weit sein, ohne jegliche Zivilisation. Su wischte sich über die Augen. Sie musste aufstehen und sich von hier fortbewegen, sonst würde sie eine Zivilisation nicht erreichen, auch wenn sie nur 20 Meter von ihr entfernt lag. Sie stöhnte laut auf, als sie sich vom moosigen Boden erhob. Ihre Glieder waren steif und schmerzten allesamt, aber gebrochen schien nichts zu sein. Außer sie stand noch immer unter Schock und spürte es nicht. Der Arm pochte heftig und ihr Kopf auch bei jeder Bewegung, doch ansonsten konnte sie wundersamer Weise keine weiteren Verletzungen feststellen, außer einem Haufen Kratzer an Armen, Beinen und auf ihren Wangen. Früher hätte sie auf solche Wunden Desinfektionsmittel aufgetragen, dann Pflaster darauf geklebt oder vielleicht sogar einen Verband angelegt. Doch jetzt waren sie kaum der Rede wert. Wie die Situation doch eine Sichtweise verändern kann. Humpelnd machte Su ein paar Schritte hin zu der Stelle, an der der Mann in seinem Blut lag. Waren sie alle beide aus dem Flugzeug geflogen? Vielleicht. Und sie war im weichen Moos gelandet und der arme Kerl hier auf einem Felsbrocken, autsch! Als Su endlich halbwegs sicher stehen konnte, sah sie sich den Mann genauer an, schließlich konnte es ja sein, dass er doch noch am Leben war und ihre Hilfe brauchte. Nachdem sie ihn umrundet hatte und sie in sein Gesicht sehen konnte, war ihr klar, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Mit beiden Händen hielt sie sich den Mund zu, um nicht zu schreien, oder sich zu übergeben und dabei war ihr diesmal völlig egal, dass ihre Hand blutig war. Das Gesicht des armen Mannes war völlig zermatscht, als hätte man mehrmals mit einem gewichtigen Vorschlaghammer darauf eingedroschen. Su taumelte zurück. Ihr Herz raste und die Tränen verschleierten ihr die Sicht. Würgend wandte sie sich ab und lief einfach in den Wald. Nach etwa fünfzig Metern ließ sie sich ins Moos sinken. Sie weinte. Weinte all ihre Emotionen heraus, bis sie wieder einen klaren Gedanken finden konnte. Wenn der andere Mann am Leben war, konnte er in der Nähe sein. Oder er war noch im oder beim Flugzeug. Der Schnitt an ihren Arm blutete wieder stärker, nachdem sie gelaufen war. Sie sollte ihn verbinden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Drogenhändler einen Verbandskasten an Bord hatten, war zwar gering, aber einen Versuch war es wert. Vielleicht befand sich ja sogar ein Desinfektionsmittel im Flugzeug. Aber wo war es? Su konnte nicht weit sehen, sogar die Stelle, an der der bedauernswerte Mann lag, dessen Gesicht Geschichte war, konnte sie nicht mehr sehen. Sie sollte dorthin zurückkehren und von dort aus nach dem Flugzeug suchen, bevor sie sich völlig in diesem Wald verirrte. Das Flugzeugwrack könnte ihr Schutz bieten. Vielleicht gab es dort auch Wasser. Widersterbend machte sie sich also auf den Rückweg zurück zu der Stelle, an der sie vor wenigen Minuten zu sich gekommen war. Als sie sie erreicht hatte, kniff sie die Augen fest zusammen, um nicht noch einmal in das zerschmetterte Gesicht sehen zu müssen. Langsam schlich sie sich an dem Toten vorbei und ging in die andere Richtung. Dann blieb sie stehen. Sie fing an leise mit sich selbst zu sprechen: „Also ich geh jetzt in jede Richtung nur soweit, dass ich wieder zum Ausgangspunkt zurückfinde.“ Kopfschüttelnd über ihr Selbstgespräch, ging sie noch einige Meter weiter und kehrte dann wieder zurück. „Jetzt hier lang!“ Sie lief sternförmig in jede Richtung, aber das Flugzeug konnte sie nirgends entdecken. „Das kann doch nicht so weit weg sein!“ sagte sie laut zu sich. „Wenn wir rausgeschleudert wurden, kann das doch nicht weit gewesen sein. Hier sind ja überall Bäume!“ Sie ließ sich nieder und zog die Beine an. Sie stützte den hämmernden Kopf in beide Hände und seufzte laut. Dann erschreckte sie ein deutliches Rascheln im Dickicht hinter ihr. Sie sprang wie von der Tarantel gebissen hoch und fuhr herum. Wieder das Rascheln, dieses Mal noch lauter und aggressiver. Es hörte sich an als kämpfe etwas im Gebüsch. War das ein Knurren? Den Geräuschen nach zu urteilen, handelte es sich hier um kein kleines Tier. Su spürte die Angst in sich hochkriechen. Sie schlich sich in die hintersten Winkel ihres Körpers und machte sie vollkommen bewegungsunfähig. Während sie wie paralysiert dastand, dachte sie noch, wie sinnlos es doch ist, dass Angst einen völlig handlungsunfähig macht. So ist man erst recht seinem Jäger ausgeliefert, bleibt schön brav stehen und ist ihm eine leichte Beute. Fast hätte sie sarkastisch aufgelacht, doch das Lachen blieb ihr im Halse stecken, als sie sah, wer das Rascheln verursachte. Ein großer Hund, vielleicht ein Kojote oder ein Wolf schob ruckartig seinen Hintern aus dem Gebüsch und knurrte laut vor Anstrengung. In seinem Maul zerrte er etwas aus dem Dickicht. Entsetzt musste Su mitansehen, wie das Tier an einem blutüberströmten Arm riss und ruckte, der nur noch am „seidenen Faden“ an einem menschlichen Rumpf hing. Mit jedem Ruck zog der Kojote den Rumpf weiter aus den Sträuchern. Gleich würde er es geschafft haben den Arm abzureißen. Und was dann? Würde das Tier damit auf und davon laufen oder den Arm vor ihren Augen verspeisen? Su wurde schwarz vor Augen. Der Rumpf an dem der Arm nur noch an einer einzelnen Sehne zu hängen schien, hatte keinen Kopf. Die Beine waren noch dran, steckten in Jeans, sahen unversehrt aus, aber der Kopf fehlte. Su konnte sich noch immer nicht bewegen, nur ihr Gehirn ratterte unaufhörlich. Jetzt wusste sie, wo der zweite Mann abgeblieben war, und sie wusste auch, dass es in diesem Wald Tiere gab, die Menschen fraßen. Dann schwanden ihr sie Sinne, als ihr aufging, dass sie nun ganz alleine und ohne jede Hilfe dem allem ausgesetzt war. Hinter ihren geschlossenen Augenlidern war ein warmer Farbton, als sie wieder zu sich kam. Als Su die Augen öffnete, stockte ihr das Blut in den Adern und kleine Sternchen tanzten vor ihren Augen. Ihr Blick war gen Himmel gerichtet, weil sie auf dem Rücken lag und er fiel direkt auf das Flugzeug. Besser gesagt auf das, was von dem Flugzeug noch übrig war. Wie als hätte man im freien Fall die Zeit angehalten, hing das Flugzeug genau über ihr und war in seiner Bewegung scheinbar eingefroren. Nachdem Su sich vom ersten Schrecken erholt hatte, rutschte sie mit dem Hintern hektisch über den Boden, um sich auf sicheres Terrain zu begeben, falls die Baumkronen nachgaben und das Wrack auf sie herabfallen würde. Ein schneller Kontrollblick zu allen Seiten verriet ihr, sie war allein. Der Kojote war nicht mehr zu sehen, der Arm auch nicht. Er hing nicht mehr am Rest der verstümmelten Leiche, die jedoch sehr wohl noch da war. Sie lag nur zwei Meter neben ihr und das Blut war noch feucht. Am Gürtel blitzte etwas im Licht des einzelnen Sonnenstrahls, der es am Flugzeugwrack und an den dichten Ästen der Bäume vorbei bis auf den Waldboden geschafft hatte. Am Gürtel der Leiche war ein Holster befestigt und in ihm steckte eine Waffe. Su musste sie in die Hände bekommen. Mit einer Waffe wäre sie sicherer, oder zumindest würde sie sich damit sicherer fühlen. Sich die Waffe zu holen würde jedoch bedeuten, sich ganz nah an die Leiche zu begeben. Ob sie das fertigbrächte, konnte sie im Moment nicht sagen. Wieder wanderte ihr Blick hinauf zum Flugzeug. Es hing zwar nicht allzu weit oben, jedoch gab es für sie keine Möglichkeit zu ihm hinaufzugelangen. Die Bäume hatten weiter unten keine Äste. Erst ganz oben in den Baumkronen verästelten sie sich, um ans Sonnenlicht zu gelangen. Su müsste am blanken Stamm senkrecht emporklettern, was ein völlig unmögliches Unterfangen war. Wenn die Äste nicht irgendwann unter dem Gewicht nachgaben und das Wrack nach unten stürzen würde, gab es keine Möglichkeit an dessen Inhalt zu kommen. Selbst wenn es Wasser im Innenraum gab, für Su war es unerreichbar. Also kniff sie die Lippen zusammen und stand auf. Sie musste weiter. Sich auf den Weg machen. Rettung war nicht zu erwarten. Niemand würde nach einem abgestürzten Drogenflugzeug suchen. Und selbst wenn, würde man das Wrack unmöglich vom Himmel aus sehen können. Der Wald hatte es verschluckt, so wie sie auch. Sie war auf sich allein gestellt, wenn sie jemand retten würde, konnte das nur sie selbst sein. Wenn sie nicht das Pech hatte, inmitten von Quadratkilometern Wald heruntergekommen zu sein, hatte sie eine Chance. Sie musste eine Anhöhe finden, von der aus sie weiter sehen konnte. Vielleicht war eine Stadt, oder ein Dorf ja nicht allzu weit entfernt. Sie musste nur herausfinden in welcher Richtung es lag. Sie sog tief die Luft ein und hielt sie an. Dann wandte sie sich der Leiche zu und nestelte am Verschluss des Holsters. Der Mechanismus schien kompliziert zu sein, oder Su war einfach in Panik. Sie brauchte mehrere Anläufe, um die Pistole aus der Halterung zu ziehen. Als sie sie hatte, drückte sie sie zunächst erleichtert an ihre Brust. Sollte sie das Holster auch mitnehmen? Um die Waffe zu tragen wäre das wesentlich praktischer. Dafür müsste sie jedoch dem zerstückelten Mann den Gürtel abnehmen. Ihn öffnen und unter seinem toten Leib herausziehen. Wieder schnaufte sie tief durch und tat einfach, was sie tun musste. Der Gürtel machte ein schnappendes Geräusch, wie sie ihn aus den Schlaufen zog und das Holster rutschte zu Boden. Mit spitzen Fingern fischte sie es vom Waldboden der stellenweise vom trocknenden Blut des Mannes bedeckt war. Instinktiv wischte Su das Holster an ihren Hosen ab und fädelte den klebrigen Gürtel durch dessen Schlaufe. Dann schlang sie ihn sich um und zog ihn fest. Die Pistole hatte sie zwischen ihren Knien eingeklemmt, doch nun steckte sie sie in die lederne Halterung. Den Verschluss ließ sie offen. Wenn sie die Waffe schnell brauchte, konnte sie nicht ewig am Mechanismus friemeln. Su hatte keine Ahnung wie so eine Pistole funktionierte, ob sie geladen oder entsichert war. Sie konnte sich später damit befassen, wenn sie eine Pause einlegte. Aber auf jeden Fall bevor es dunkel wurde. Su musste schlucken bei dem Gedanken daran, wieder in völliger Dunkelheit zu sein und das eine ganze ewig lange Nacht lang. Nicht zu sehen, ob sie belauert oder gar angegriffen wurde. Nicht zu wissen, ob sie den nächsten Tag erleben würde. Sie hatte große Angst, aber eines wusste sie, wenn sie hierbleiben würde, würde sie auf gar keinen Fall gerettet werden. Also los. Doch in welche Richtung sollte sie gehen? Es war einerlei. Sie konnte jede einschlagen, denn die Chance auf Zivilisation zu stoßen war in jeder Richtung vollkommen gleich. Also stapfte sie einfach geradeaus in den Wald. Ihre Schritte machten Geräusche. Die am Boden liegenden morschen Zweige knackten und verrieten jedem in hundert Meilen Entfernung ihren Standort. Doch lautlos zu gehen war nicht möglich. Su redete leise mit sich selbst, um der schrecklichen Angst Einhalt zu gebieten, die sie fest im Würgegriff hatte. „Du bist so dämlich!“, schalt sie sich immer wieder. „Du musstest ja unbedingt spielen! Du bist so erbärmlich, so schwach! Jetzt schau, wo dich das hingebracht hat! Du wirst abkratzen. Verrecken, ganz allein. Und es wird nicht mal einer mitkriegen!“ Erstaunlich, wie völlig weggeblasen eine Sucht sein kann, wenn’s ums nackte Überleben geht. Hier, jetzt in diesem Wald, in dieser ausweglosen Situation, lag ihr nichts ferner, als ein Spielchen in einem Casino tätigen zu wollen oder an einem Automaten zu sitzen. Su schwor sich, wenn sie das hier überleben würde, würde sie nie wieder eine Spielkarte in die Hand nehmen. Sie würde kein Casino mehr betreten, ihr ganzes Leben lang nicht mehr. Sie würde Bars meiden und Menschen wie James. Und sie würde wieder arbeiten gehen, vielleicht endlich einen Partner finden, oder eine Partnerin. Sie sehnte sich so sehr nach einem unaufgeregten Leben in Geborgenheit. Nach gefühlten drei Stunden, musste Su rasten. Die Baumlandschaft hatte sich die ganze Zeit über nicht verändert. Sie befand sich noch immer in dichtem Wald. Zurück zum Flugzeug würde sie nicht mehr finden. Selbst wenn es zu Boden stürzen und sie das hören würde, könnte sie es ganz sicher nicht mehr finden. Es gab nur noch eine Richtung, nach vorn. Aber zuerst musste sie sich ausruhen. Ihr Arm pochte pulsierend und tat weh. Sicher hatte sich der Schnitt entzündet. Sie konnte die Hitze spüren, die von der Wunde in sie hineinkroch. Allzu lange blieb ihr nicht, Menschen zu finden, die ihr helfen konnten. Auf ihrem bisherigen Weg hatte sie bedauerlicherweise weder Wasser noch etwas Essbares gefunden. Erschöpft setzte sie sich auf das Moos unter einem sehr hohen Baum und lehnte ihren Rücken an den Stamm. Ihr Kopf schmerzte, ihr Arm sandte ihr in regelmäßigen Abständen stechende und brennende Schmerzen, die mit ihren Kopfschmerzen verschmolzen. Sie fühlte sich fiebrig und schwach. Su wünschte sich Wasser. Nur ein wenig, einen Schluck oder zwei könnten ihren Zustand schon verbessern. Sie holte die Pistole aus dem Gürtel und drehte sie hin und her. Dabei fiel ihr auf, dass sich das Licht verdunkelt hatte. Wurde es schon wieder Nacht? Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie die Waffe von allen Seiten. Sie lag schwer in ihrer Hand und sah schäbig aus. Su hoffte sie würde im Ernstfall auch funktionieren. Vielleicht hatte die Kakerlake sie nur getragen, um Leute einzuschüchtern. Sie sollte sie testen. Aber wenn sie schoss, würde das meilenweit zu hören sein, also wagte sie es nicht. Doch sie fand den Entsicherungsmechanismus und stellte ihn auf „entsichert“. Ob die Waffe geladen war, konnte sie nicht feststellen, ohne sie zu öffnen und das wagte sie nicht. Das war auch egal, denn war sie es nicht, konnte sie daran rein gar nichts ändern. Es war ja nicht so, als hätte sie Patronen dabei. Sie musste darauf vertrauen, dass James Handlanger mit scharfen Waffen durch die Gegend liefen. Nur ganz kurz ein wenig schlafen. Su fühlte sich plötzlich furchtbar ausgelaugt und ihr Körper wollte nur noch liegen und die Augen zumachen. „Vielleicht machst du sie für immer zu, wenn du dich jetzt hinhaust!“, schimpfte Su sich selbst und erschrak, wie laut ihre Stimme von den Bäumen widerhallte. „Nur ein paar Minuten“, bettelte sie sich selbst an und ließ sich schon zur Seite kippen. Die schimpfende Stimme in ihr gab sich geschlagen. Auch sie war unendlich müde und bevor Su noch über irgendetwas nachdenken konnte, hatte sie der Schlaf bereits geholt. Stoßartig gehender Atem weckte sie. Er war direkt an ihrem Ohr. Sie konnte die Feuchtigkeit spüren und den faulen Atem riechen, so nah war das, was auch immer ihr ins Ohr schnaufte. Obwohl sie ihre Augen vor Entsetzen weit aufgerissen hatte, konnte sie nichts sehen. Sie musste länger als ein paar Minuten geschlafen haben, denn jetzt war es finstere Nacht. Sus Glieder waren in einer Schockstarre gefangen. Sie konnte keinen Muskel rühren. Jetzt vernahm sie auch ein Hecheln. Es hörte sich etwas weiter weg an. Das sagte ihr, sie waren mindestens zu zweit. Zwei oder mehr Raubtiere, die ihr nach dem Leben trachteten. Der Atem an ihrem Ohr entfernte sich nun etwas. Wahrscheinlich hatte das Tier bemerkt, dass sie wach geworden war und ging vorsichtshalber auf Abstand. Su dachte an die Pistole. Sie konnte zwar rein gar nichts erkennen, doch sie war sich sicher, dass sie, wenn sie blind um sich schoss, die Jäger in die Flucht schlagen könnte. Sie zwang sich also ihre Hand ganz langsam zum Holster zu bewegen, so langsam, dass sie fast schrie vor Angst. Jeden Moment rechnete sie damit gebissen zu werden Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ein Schnappen war zu hören unmittelbar neben ihr und winselnde Schmerzenslaute eines Hundes. Nachdem sie sich von dem Schreck des plötzlichen Geräusches erholt hatte, nutzte sie diese Gelegenheit in der die Kojoten, Wölfe wilde Hunde, durch ihre Machtkämpfe abgelenkt waren, um die Pistole zu greifen. Mit zitternder Hand zog sie aus der Halterung und schoss sofort los, ziellos in verschiedene Richtungen in die pechschwarze Nacht hinein. Ein-, zwei-, dreimal. Der Lärm war gigantisch und übertönte alle anderen Geräusche. Als es wieder still war, konnte Su nicht ausmachen, ob ihre Ballerei Erfolg gehabt und die Kojoten oder Wölfe, was auch immer, verjagt hatte. Kein Laut war zu hören. Trotzdem wagte Su sich keinen Millimeter zu rühren. Sie traute der Stille nicht und als sie schon dachte ihre Schießerei hätte tatsächlich die Jäger verscheucht, die sie umringt hatten, spürte sie etwas weiches, warmes und nasses auf ihrem Arm. Eine heiße Zunge leckte schmatzend über ihre Wunde. Das Gefühl und die Botschaft, die das Verhalten des Kojoten vermittelte, entfachte einen dermaßen starken Schock und Todesangst in Su, dass sie sich einpinkelte. Es wurde warm zwischen ihren Schenkeln und sie konnte ein Schluchzen nicht vermeiden. Das Lecken wurde schneller und gieriger. Jetzt stieß eine kalte feuchte Schnauze grob gegen ihren Arm, als würde der Hund sie ungeduldig auffordern, ihm ihr Fleisch zu überlassen. Sie hörte ihn zur Seite schnappen. Sie stritten sich um sie. Um ihr Nachtmahl, das sie sein sollte. Doch ein klein wenig Überlebenswille steckte noch in Su. Sie wartete bis das Tier, das geleckt hatte, damit fortfuhr und dann packte sie seinen pelzigen Kopf mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte und hielt ihn fest. Der Wolf jaulte auf, viel zu sehr, angesichts ihrer fast liebevollen Streicheleinheit. Denn mehr war ihre Umklammerung nicht. Doch sicher hatte er mit ihrer Gegenwehr nicht gerechnet, sicher war er erschrocken und hatte deshalb so wild aufgeschrien. „Feigling“, dachte Su kurz bevor sie die Mündung in seine weiche Kehle drückte und sofort schoss. Diesmal gab der Wolf keinen Laut von sich, er sackte einfach neben ihr zusammen und rührte sich nicht mehr. Hinter Su kam jedoch Leben auf. Sie hörte, wie mehrere Tiere hinter ihr umherliefen. Sie hatte den Eindruck, die Tiere liefen ziellos hin und her. Immer wieder wurde sie berührt. Von einer Schnauze, einem Hintern, einem Kopf, der gegen sie stieß. Su überlegte, wie viele Schüsse sie noch hatte. Wenn sie sie jetzt aufbrauchte und ihr Leben rettete, würde sie morgen vielleicht keine mehr haben. Oder in der nächsten Nacht, oder der darauffolgenden. Aber wenn sie sie jetzt nicht nutzte gab es kein morgen oder übermorgen für sie. Vielleicht würde sie sie auch gar nicht mehr brauchen, weil sie morgen eine Siedlung fand. Also schoss sie erneut um sich und machte das Magazin vollkommen leer. Wie viele Schüsse sie abgegeben hatte, konnte sie nicht sagen. Sie spürte nur wieder diese Müdigkeit, die sich nicht aufhalten oder vertreiben ließ und sank zur Seite und schlief ein, ohne zu wissen, ob sie die anderen Jäger vertrieben hatte. Der infernale Schmerz, der in ihrem Oberarm wütete, schreckte sie schließlich wieder auf. Die Dunkelheit war einer düsteren Dämmerung gewichen und sie konnte ein wenig in ihrer Umgebung erkennen. Als sie sich sicher war, dass im Moment keine unmittelbare Gefahr für sie bestand, widmete sie ihre Aufmerksamkeit ihrem Arm. Alles was sie über das Überleben in der Wildnis wusste, hatte sie aus Filmen gelernt. Wie realistisch Filme sind, ist ja bekannt, aber sie hatte nichts anderes. Eines wusste sie jedoch sicher. Dass es kein gutes Zeichen war, wenn die Haut um eine Wunde herum sich dunkelblau färbte und die Schmerzen einem die Sinne raubten. Mit der rechten Hand fuhr sie über ihren verletzten Arm und spürte wie heiß er war. Er glühte förmlich und es fühlte sich auch an, als halte ihr jemand ein, auf Hochtouren laufendes, Bügeleisen daran. Das war nicht gut. Sie würde nicht länger, als diesen heutigen Tag durchhalten. Wenn sie heute nicht aus dem Wald herausfand wars das. Tränen fluteten ihre Augen, als hätte jemand eine Schleuse geöffnet. Nicht nur die Schmerzen brachten sie dazu, zu weinen. Sie wollte einfach nicht mehr tapfer sein. Sie wollte sich gehen lassen dürfen, hilflos sein. Sie wollte gerettet werden. Nicht sich selbst retten müssen. Sie wünschte sich so sehr, es gäbe einen Menschen, dem sie wichtig genug war, dass er nach ihr suchen würde. Toni fiel ihr ein. Die kleine, zarte Antonia, der ungeplante Nachzügler ihrer Eltern. Sie war mit einem Herzfehler zur Welt gekommen und zog seit ihrer Geburt die komplette Aufmerksamkeit ihrer Eltern auf sich. Selbst in der Zeit, als Su sie so dringend gebraucht hätte. Aber sie trug ihrer Schwester nichts nach. Sie liebte sie über alles. Toni war der einzige Mensch, den Su jemals geliebt hatte. Die Traurigkeit sie nie wiederzusehen, schnürte ihr die Kehle zu. Die Tränen liefen ihre Wang herab und sie schniefte in ihre Hände. Sie würde ihr nie wieder über ihr goldenes Haar streicheln, ihr nie wieder die Hand halten, wenn eine der vielen Operationen bevorstand. Sie würde nie mehr ihr glockenhelles Lachen hören, nie wieder ihre lachenden Augen sehen können. Das schlechte Gewissen, dass sie in den letzten zwei Jahren so selten zu Hause gewesen war, holte Su ein und überrollte sie schier. Sie hatte Toni in den letzten 24 Monaten vielleicht dreimal gesehen. Und jetzt würde sie es höchstwahrscheinlich nicht mehr nachholen können. Was würde Toni denken? Würde sie glauben, sie hätte sie im Stich gelassen? Zurückgelassen? Würde sie glauben, sie wäre einfach fortgegangen, ohne sie. In zwei Monaten würde sie 18 Jahre alt werden. Sie hatten Pläne geschmiedet, darüber nachgedacht zusammenzuziehen und einen gemeinsamen Haushalt zu führen. All das lag jetzt in weiter Ferne. Es lag vielleicht in unerreichbarer Ferne und diese Erkenntnis trieb nur immer noch mehr Wasser in Sus Augen. Doch dann kamen keine Tränen mehr. Ihr Körper trocknete aus. Auch die Wunde am Arm fühlte sich seltsam an. Als würde sie sich von selbst bewegen. Vielleicht heilte sie, dachte Su und sammelte den letzten Rest Mut in sich zusammen, um wenigstens noch diesen Tag durchzuhalten, um nach einer Rettung zu suchen. Sie richtete sich auf und sah sich um. Neben ihr lag der tote Wolf, den sie erschossen hatte. Er musste sofort tot gewesen sein, denn er brach direkt neben ihr zusammen und ist danach auch offensichtlich nicht fortgekrochen. In Su war ein merkwürdiges Gefühl. Irgendwie empfand sie so etwas wie Trauer für das Tier. Sie ließ ihren Blick rund herum gleiten und ihr Herz machte einen Schlag aus der Reihe, als sie eine weitere Hundeleiche entdeckte. Sie lag weiter weg und war deutlich kleiner, als die erste. „Ein Welpe!“, sprach Su ihre Vermutung laut aus. Sie hatte dessen Mutter erschossen. Wieder bildete sich ein Kloß in ihrem Hals. Sie hatte eine Wölfin und ihr Junges erschossen. Aber Wölfe, Hunde, Kojoten hatten doch mehr als ein Junges, oder? Wo waren die anderen? Sicher waren sie in alle Richtungen auseinandergestoben, als sie wild um sich geschossen hatte. Traurig und behäbig stand sie auf und musste sich sogleich am Baum festhalten, um nicht sofort wieder umzukippen. Ihr Kreislauf machte nicht mit und ihr Arm polterte und pochte von innen an ihre wunde Haut, als wollte sich ein Dämon aus ihrer Hülle befreien. Doch sie musste weiter. Weder an die toten Tiere noch an ihren Arm durfte sie jetzt denken, denn sonst brächte sie die Kraft nicht auf, weiterzumachen. Sie hatte Hoffnung. Noch immer war ein Fünkchen Hoffnung in ihr, aus diesem entsetzlichen Wald herauszukommen. „Einen Fuß vor den anderen“, wiederholte sie leise, wie ein Mantra. „Einen Fuß vor den anderen.“ Sie ging an dem toten Welpen vorbei, ohne ihn noch einmal anzusehen und streckte ihren Rücken durch. Tapfer setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie vor Erschöpfung in die Knie ging. Sie sank zusammen und schluchzte in ihre Hände. Tränen kamen nicht. Ihre Kehle fühlte sich rau an, sie hatte solchen Durst. Für einen Schluck Wasser hätte sie im Moment alles getan, so stark war das Verlangen. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass man solchen Durst haben könnte. Einen solch starken Durst, dass man dafür einen Mord begehen könnte. Sie schluckte. Ihre Kehle schluckte von selbst immer wieder. Wahrscheinlich, weil sie sich vorgaukelte, dass es etwas zu schlucken gäbe. Sus Augen waren müde, langsam ließ sie ihren Blick zwischen den Bäumen hindurchgleiten. Und da hörte sie es. Es klang wie ein Rauschen. Wasserrauschen. Durch neuen Lebenswillen angetrieben, zwang sie ihren erschöpften Körper in die Höhe und setzte ihren Weg fort. Sie stolperte mehr, als dass sie lief, weiter in die Richtung, aus der das Rauschen kam. Ein paar Meter weiter konnte sie endlich durch die Bäume hindurchsehen. Eine große Ebene lag vor ihr. Su ging bis dahin, wo der Wald aufhörte und blieb dann stehen. An den letzten Baum gestützt, betrachtete sie das weite Ödland, das vor ihr lag. Fieberhaft suchte sie nach der Quelle des Rauschens und musste nach einigen Minuten feststellen, dass das Rauschen von oben zu kommen schien. Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel. Die Baumkronen wurden hin und hergeworfen. Oben ging starker Wind, den sie unten im Wald nicht wahrgenommen hatte. Daher kam das Rauschen, jetzt hörte sie es deutlich. Es war kein Wasser, es war nur der Wind. Verzweifelt ließ Su den Kopf hängen und weinte trockene Tränen. Am Waldrand entlang wuchsen kleine knubbelige Pilze. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sie giftig sein könnten, riss Su sie aus der Erde und stopfte sie sich in ihren ausgetrockneten Mund. Die kleinen Erdklümpchen, die noch an ihren Stämmchen klebten, aß sie einfach mit. Die Pilze waren feucht. Die Flüssigkeit, die in ihnen gespeichert war, was das einzige Wasser, was Su hier bekommen konnte. Sie lief entlang des Waldes und pflückte so viele Pilze wie sie finden konnte. Dann setzte sie sich hin und rieb die Erde ab. Ein Pilz nach dem anderen wanderte ihre Kehle hinab und Sue genoss das genugtuende Gefühl, das dies verursachte. Als die Pilze alle waren, sah sie über die Ebene. Auf der anderen Seite erhob sich eine Anhöhe. Berg konnte man es nicht nennen, aber der Bereich dort lag so hoch, dass sie möglicherweise über die Bäume hinweg schauen konnte. Die Pilze hatte sie ein wenig gestärkt, doch bis zu diesem Hügel lag noch ein weiter Weg vor ihr. Wenn sie ihn vor Anbruch der Dunkelheit erreichen wollte, musste sie sofort starten. Und das tat sie. Als sie etwa in der Mitte der Ebene war, sah sie, dass sich auf dem Hügel etwas wie eine Antenne befand. Vielleicht war es auch etwas anderes, aber es war auf jeden Fall nicht natürlich, sondern von Menschenhand erschaffen. Hier mussten Menschen in der Nähe sein. Jetzt wusste sie, dass sie es schaffen konnte. „Einen Fuß vor den anderen“, betete sie vor sich hin. „Und noch einen, und noch einen, du bist bald da. Du hast es gleich geschafft.“ Dann ging es bergauf, das war noch anstrengender und sie kam nur noch sehr langsam voran. Das Licht machte ihr außerdem große Sorgen, es schwand bereits bedenklich. Die Angst vor einer weiteren Nacht in dieser lichtlosen Einöde trieb sie an, und sie heulte laut, als sie auf der Plattform des Hügels ankam. Es war wirklich eine Antenne und auf der anderen Seite des Hügels stand eine Holzhütte, die sie von der Seite, von der sie gekommen war, nicht hatte sehen können. Freudig schlang sie ihre Arme um ihren Leib, wobei die Wunde an ihrem Arm regelrecht aufplatzte. Ein kribbelndes Gefühl lief ihr den Arm und ihren gesamten Rücken hinunter. Vielleicht war es Wundsekret, das herauslief, jedenfalls verschaffte es ihr unheimliche Erleichterung. Mit allerletzter Kraft schlurfte sie auf die Hütte zu und stellte fest, dass sie keine Tür hatte. Man konnte einfach eintreten. Drinnen befand sich ein Raum, ohne Fenster und Möbel. Das einzige Licht kam durch die Tür herein. Doch sehr viel Licht war nicht mehr übrig an diesem Tag. Su ging noch einmal nach draußen und sah sich um. Sie konnte eine Siedlung erkennen, gleich am Fuß des kleinen Berges, auf dem sie sich befand. Heute Nacht wäre sie in der Hütte sicher und morgen würde sie frisch ausgeruht dort hinabsteigen. Ob es in diesem Ort wohl ein Casino gab?, blitzte ein Gedanke kurz und aus purer Gewohnheit in ihrem Kopf auf, doch sie wusste, sie hatte das hinter sich. Sie wusste, sie war nun stärker. Stärker, als diese sinnlose Sucht, die ihr Leben ruiniert und fast beendet hatte. Ab jetzt würde sie jemand anderer sein. Heute begann ihr zweites, ihr neues, ihr einziges Leben. Sie kauerte sich in der Hütte auf den Boden und schlief sofort ein. Ein Quieken weckte sie, dann vernahm sie ein Winseln. Sie spürte etwas an ihrem Hals, etwas weiches. Etwas streifte über ihren Rücken, stupste sie in den Bauch, stieß gegen ihren Arm, alles gleichzeitig. Ihr Herz wurde zur Höchstleistung angetrieben, als sie verstand, dass sie umringt war. Umringt von mehreren Tieren. Die winselnden Laute kamen eindeutig von jungen Hunden, oder Wölfen. Die Welpen waren ihr gefolgt. Sus Magen schmerzte plötzlich und sie musste sich nach vorne krümmen. Vielleicht waren die Pilze nicht die beste Wahl gewesen. Wieder kam ein Stoß von hinten, diesmal kräftiger, mutiger. Gefolgt von einem zaghaften Knurren und anschließendem unsicherem Winseln. Der schneidende Schmerz in ihrem Bauch schwoll an. Sie musste sich in Embryonalstellung auf die Seite legen, um ihn auszuhalten. Das Knurren wurde lauter und nun stimmte ein weiterer Welpe mit ein. Zusammen knurrten sie sie an. Su lag da, hilflos vor Schmerzen. Sie sollte in Panik sein, sie sollte heulen, Angst haben, winseln, betteln, schreien, doch sie lachte. Sie lachte über die Ironie des Schicksals, das sie eingeholt hatte. Hier auf diesem „Hügel der Hoffnung“. Inmitten der Hoffnung würde sie nun ihr Leben aushauchen, ob nun durch das Gift der Pilze, oder durch sie scharfen Zähne der verwaisten Welpen. Doch das war nur gerecht. Sie hatte ihnen die Mutter genommen. Jetzt war es nur fair, dass sie ihnen Nahrung beschaffen musste. Sich. Ein letzter Gedanke galt Toni, bevor der Schmerz und das Entsetzten keine Gedanken mehr möglich machten. Der erste Biss war noch zaghaft in ihren Hinterkopf, fast unbeholfen. Doch der zweite Biss saß. Er durchtrennte ihre Kehle und bevor sie es mitbekam, war sie bereits tot.

dramatisch
Zwiespalt Ich habe das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen und atme angestrengt ein und aus. Das Sonnenlicht fällt durch das dichte Blätterdach, unterteilt in unzählige feine Lichtstrahlen. Einige von ihnen treffen direkt in meine Augen und das Licht schmerzt. Also schließe ich die Lieder wieder. Das warme Rot, das nun auf deren Innenseiten schimmert, gibt mir für einen Augenblick ein wohliges Gefühl. Doch mein Körper fühlt sich erschöpft an, ausgelaugt vom vielen Grübeln, vom Zweifeln, vom Verzweifeln. Soll ich es tun? Ich bin in den Wald gekommen um mir genau darüber klar zu werden. Will mich absondern, mich einigeln und endlich zu der schwersten Entscheidung kommen, die ich je treffen musste. Ich muss sie treffen, heute. Nicht für mich, sondern für dich. Die Frage umkreist meinen Geist wie Geier den sterbenden Kojoten. Ich spüre wie meine Arme zu kribbeln beginnen, es ist Angst. Angst dich zu verlieren. Das Kribbeln breitet sich aus, erreicht meinen Bauch, meine Beine. Das aufgefächerte Sonnenlicht wärmt mein Gesicht. Der Rest meines Körpers ist eiskalt. Ist es das was ich bin? Gespalten? Gespalten in warm und kalt, in gut und böse? Ein Teil von mir weiß, dass es genau so ist, der andere aber leugnet. Er will nicht anders sein, nicht besonders, nicht anormal, nicht krank. Hat nicht jeder eine gute und eine böse Seite in sich? Die meisten Menschen würden diese Frage mit „Ja“ beantworten, aber sie meinen nicht, was ich meine. Ich habe nicht zwei Seiten, ich bin Zwei. Und somit kehren meine Gedanken wieder zurück zu der Frage, ob ich dich lieben darf, oder nicht. Mein linkes Ohr registriert ein dunkles Summen und ich lächle, weil ich weiß, eine dicke behäbige Hummel fliegt über mich hinweg. Ich gestatte mir für einen Moment die Vorstellung ein Teil des Waldes zu sein, verwoben mit dem Wurzelwerk der Bäume und Sträucher, eingebettet in den erdig riechenden Boden. Ich presse meine Lider noch fester an meine Augäpfel und genieße die leisen Geräusche der Natur, die Geräusche des Lebens im Wald. Plötzlich beugst du dich über mich und dein wunderschönes Gesicht erscheint vor meinen geschlossenen Augen. In meiner Vorstellung lächelst du mich an und erinnerst mich sanft an die Entscheidung, die ich zu treffen habe. Wärst du jetzt wirklich hier, würden meine Arme dich umschlingen und dich verzweifelt an mich drücken. Ich will dich nicht loslassen, ich kann dich nicht loslassen. Wie konnte ich diese Möglichkeit nur je erwägen. Ein Leben ohne dich scheint mir unmöglich und doch weiß ich, dass es keinen Ausweg gibt. Pures Entsetzen packt mich unvermittelt und ich stöhne leise auf. Die Angst ohne dich zu sein schnürt mir die Kehle zu, ich bekomme keine Luft. Panisch richte ich mich auf und sauge geräuschvoll die erdige Waldluft in meine Lungen. Das Geräusch erschreckt mich. Kalte Schweißtropfen laufen über mein Gesicht. Ich fühle wie mein Brustkorb hämmert, sich aufbläht und senkt, als würde ich ersticken. Es fühlt sich an, als hätte jemand den Sauerstoff aus dem Wald abgepumpt. Ich schnaufe und schnaufe und habe trotzdem das Gefühl keine Luft zu kriegen. Mein Körper fühlt sich an, als würde er von tausenden kleinen Nadeln gestochen, der Wald verblasst vor meinen Augen, bis mein Blick schwarz ist. Dass mein Kopf wieder auf dem Waldboden liegt, registriere ich durch den dumpfen Schmerz am Hinterkopf. Unmöglich. Ich kann dich nicht verlassen, mein Körper stäubt sich mit seiner ganzen Kraft dagegen. Du bist mein Licht, meine Energiequelle, meine Zufluchtsstätte. Ohne dich bin ich nichts, ohne dich bin ich im Dunkeln gefangen, ohne dich bin ich taub, kalt, tot. Noch während ich das denke ermahne ich mich selbst, dass nicht ich es bin, um den es hier geht, sondern du. Ich spüre wie etwas Warmes aus meinen Augen rinnt und vorbei an meinen Ohren ins Moos tropft. Ich muss sterben, damit du leben kannst. Das ist traurig, auch für dich, denn du liebst mich. Ich hätte dir niemals nachgeben dürfen, nie dem Gefühl erliegen dürfen, das du mir gibst. Ich hätte stark bleiben müssen, mich nicht treiben lassen dürfen, denn ich wusste von Anfang an, dass dieser Moment des Abschieds kommen würde. Ich hätte es verhindern können. Es ungeschehen bleiben lassen können, diesen Schmerz nun ertragen zu müssen, dir zufügen zu müssen. Aber ich konnte nicht, ich wollte dich. Wollte das Gefühl nicht allein zu sein. Einmal der Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit nachgeben. Und nun muss ich gehen und dich und mich im Schmerz zurücklassen. Ich wünsche mir sehnlich, wie schon so oft, ich wohnte allein in mir, wäre ganz normal, doch er ist immer da, verborgen im Hintergrund. Lauernd, wartend alles Glück zu vergiften. Er ist mein grausamer Begleiter wohin ich auch gehe, nie wissend wann er sich an die Oberfläche gräbt. Vielleicht mag er dich nicht und hat sich deshalb so lange im Verborgenen gehalten. Oder vielleicht mag er dich doch und hat mir die Zeit mit dir gegeben um ein wenig glücklich zu sein. Nein, so ist er nicht, er ist grausam. Er gönnt mir kein Glück. Seine Mission ist es einzig alles Gute ins Chaos zu stürzen. Alles Glück in graue Asche zu verwandeln. Vergib mir bitte, dass ich dich ihm ausgesetzt habe. Er wird dich von mir stoßen, dich mir wegnehmen und ich kann nichts dagegen tun. Ein Vogel zwitschert aufgeregt und fliegt flatternd auf. Ich sehe ihm nach bis er aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Wie soll ich es fertig bringen dir zu sagen, dass wir nicht allein sind? Wie soll ich dir sagen, dass in jeder Sekunde, die wir zusammen sind, noch ein Dritter bei uns ist? Du würdest mich mit anderen Augen sehen. An meiner Fähigkeit zu lieben zweifeln. Mich für verrückt halten und dich schleichend von mir entfernen. Das könnte ich nicht ertragen. Lieber stoße ich dich weg und behalte mein Geheimnis für mich. Wieder schüttelt mich eine Panikattacke und ich ringe nach Atem. Ich setze mich auf und lasse die letzte Welle des Aufbäumens vorübergehen. Schließlich starre ich taub ins Leere. Dies ist das Gefühl, das ich für den Rest meines Lebens haben werde. Leere...

mal was ganz anderes
Aro (376 v. Chr.) Aro wurde unsanft durch dichtes Gedränge geschubst. Überall um ihn herum waren Hände, Arme, Beine und es war ihm unmöglich ihnen immer auszuweichen. Ständig stießen Leute gegen ihn und rissen ihn dabei manchmal fast um. Er wäre sicher öfter hingefallen, wenn er Platz zum Fallen gehabt hätte. Stattdessen klammerte er sich, wenn er strauchelte, an ein fremdes Gewand oder an den Arm, eines Passanten, was ihm so manchen Seitenhieb einbrachte. In der letzten Nacht hatte es stark geregnet, doch nun stand die Sonne am wolkenlosen Himmel und stach erbarmungslos herab. Der aufgeweichte Boden war uneben und bedeckt mit allerlei Unrat, sodass Aro sehr aufpassen musste, wohin er trat. Der Mann, mit dem er gekommen war, ging schnell und Aro sah zu, dass er hinterherkam. Er schwitzte leicht, denn es war schon jetzt am frühen Morgen so heiß, dass die Luft flirrte. Der riesige Markt, auf dem sie sich befanden, erstreckte sich weitläufig über einen großen Platz. Beim Laufen musste Aro ständig daran denken, wie sie ihn abgeholt hatten. Heute, mitten in der Nacht, im strömenden Regen. Sie hatten ihn völlig überraschend aus dem Bett geholt und dann nur mit seiner Hose bekleidet, barfuß auf einen Wagen geladen, mit allerlei Viehzeug darin. Aro sah das verheulte Gesicht seiner Mutter vor sich, die verzweifelt die Hände nach ihm ausgestreckt und bitterlich geweint hatte. Nach einer viel zu kurzen Umarmung seiner Mutter, war er ihr fortgerissen geworden und sofort danach war der Wagen abgefahren. Aro hatte im Dunkeln gerade noch seinen Vater erkennen können, der eilig herbeigelaufen war. Er hatte etwas gerufen, doch der Regen hatte seine Worte verschluckt. Aro blinzelte die Tränen weg, die sich bei dieser Erinnerung in seinen Augen sammelten. Die Fahrt hatte die halbe Nacht gedauert und als es endlich hell geworden war, hatte Aro den Marktplatz sehen können und erahnte, was mit ihm geschehen sollte. Sein Herr hatte sich entschieden, ihn zu verkaufen. Traurig wischte er sich mit einer Hand den Schweiß und die Tränen vom Gesicht und zwang sich tapfer zu sein. Etwa in der Mitte des Platzes, gab es einen kleinen Hügel und genau dorthin wurde Aro gebracht. Dort oben würde er heute verkauft werden. Er würde auf ein fremdes Gut kommen zu einem neuen Besitzer und er würde seine Familie nie wiedersehen. Um ihn herum wimmelte es vor Menschen, doch er hatte das Gefühl ganz allein auf der Welt zu sein. Noch nie in seinem Leben hatte er so viele Menschen so dicht beisammen gesehen. Dies hier musste der große Sklavenmarkt im Lande sein, von dem Aro gehört hatte, denn auf diesem Marktplatz wurden außer Leibeigenen noch viele andere Waren angeboten. Vieh, Essen, Geschirr und Töpfe, Werkzeuge aller Art und einiges mehr. Aro war sein ganzes Leben lang auf ein Leben als Sklave vorbereitet worden. Er war der erstgeborene Sohn einer Köchin und eines Gärtners und hatte noch drei jüngere Brüder. In der dritten Generation lebte seine Familie als Leibeigene im Besitz der Familie von Gulan, eines Gutsherrn und Geschäftsmannes im mittleren Alter. Aro hatte seinen strengen Herrn nie gemocht, doch jetzt sehnte er sich danach, weiter für ihn arbeiten zu dürfen. Als Aro die Anhöhe emporstieg, dachte er wehmütig an seine Familie. Er sehnte sich zurück in die Küche seiner Mutter, wo sie täglich das Essen für die Herrschaft zubereitete. Er dachte an das Lachen seiner Brüder, die unter den Ermahnungen seiner Mutter durch die Küche tollten. Oben auf dem Hügel angekommen, sah er viele junge Männer und Frauen, die hier, wie er, zum Kauf angeboten wurden. Betrübt fragte er sich, ob all diese jungen Sklaven letzte Nacht, wie er, von ihren Eltern fortgerissen worden waren. Als der Sklaventreiber einen Platz gefunden hatte, der ihm geeignet erschien, Aro gut zu präsentieren, befahl er ihm dort stehen zu bleiben. Er kettete ihn an einen eigens dafür vorgesehenen Pfahl fest, der tief in der Erde steckte. Der abgewetzte Eisenring bezeugte, dass hier zahllose Sklaven vor ihm angekettet gewesen waren. Der Sklaventreiber, ein grober Kerl, befahl ihm aufrecht zu stehen, um einen guten Eindruck auf die Käufer zu machen. Er schlug ihm mit seiner großen Hand hart auf den Rücken und nickte lachend. Dann entfernte er sich und gesellte sich zu einer kleinen Gruppe von Männern, die ein wenig abseitsstanden. Unter ein paar Bäumen trank er mit ihnen im Schatten Wein und behielt Aro dabei ständig wachsam im Auge. Neben Aro war ein etwa gleichaltriger Bursche angekettet worden, der leuchtend rotes Haar hatte, das aussah wie Flammen in einem lodernden Feuer. Aro betrachtete sich den Jungen genauer, da er so helles Haar noch nie gesehen hatte. Gehört hatte er jedoch schon von diesen Männern mit bleicher Haut und Flammenhaar. Sie lebten weit im Norden an einer rauen See, sagte man. Ihn anzusprechen, wagte er jedoch nicht. Aro hatte starken Durst und war froh, als mittags die Sklaventreiber mit ein paar Krügen Wasser und ein wenig Brot zu ihnen kamen und sie essen und trinken ließen. Zur Mittagszeit kamen keine Käufer. Sie hatten sich in der nahen Taverne zum Essen niedergesetzt und ruhten sich von ihren Geschäften aus. Aro und die anderen durften sich hinsetzen und etwas ausruhen vom langen Stehen. Nach der Mittagszeit füllte sich der Markt wieder mit Leben und Aro musste mit ansehen, wie ein junger Mann nach dem anderen weggeführt wurde. Einem ungewissen Schicksal entgegen. Der Nordmann blickte sich nach ihm um, als er an seinen Ketten fortgezogen wurde. Seine schreckensgeweiteten Augen, versetzten Aro in Angst. Er schloss seine Augen und stellte sich vor, mit seinem Vater auf der kleinen Bank zu sitzen, wie sie es jeden Abend nach der Arbeit getan hatten, den Blick aufs Meer gerichtet. Das Klirren von Ketten schreckte Aro aus seiner Erinnerung und er öffnete die Augen wieder. Der Mann, der ihn hergebracht hatte, stand gebückt vor ihm und löste seine Ketten, dann gab er das Ende der Kette einem anderen Mann in die Hand und nahm, mit einem Grinsen im Gesicht, einen prallen Lederbeutel entgegen. Aro stolperte hinter dem Fremden her, seine Beine waren steif vom Stehen. Sein Herz schmerzte und in seinen Augen sammelte sich Wasser. Als sie den Markt verlassen hatten, musste er auf einen hölzernen Wagen steigen, der kaum noch Platz für ihn bot, weil er bereits schwer beladen war. Aro griff mit beiden Händen das Holz der Einfassung, um nicht herunter zu fallen, als der Wagen anfuhr. Der Weg führte über einen kleinen Hügel von dem aus er zum letzten Mal in seinem Leben das Meer erblicken konnte…..

bizarr
Bo „Gib mir mal die Wimperntusche!“ Kim steht nach vorne gebeugt am Spiegel und macht einen Kussmund. Ihr knackiger Hintern spitzelt zur Hälfte aus den extrem knappen Shorts, die sie trägt. Die Beine lang und sommerlich gebräunt stecken in Seidenstrümpfen und pinken Pumps mit mindestens zehn Zentimetern Absätzen. Amber reicht ihr hektisch ihre Mascara und dann wuschelt sie durch ihre üppigen Locken. Mit einem Seitenblick schwärmt sie: „Du siehst rattenscharf aus. Tom werden die Augen rausfallen!“ Kim muss lachen. Sie greift nach der Bierflasche und nimmt einen großen Schluck, peinlich darauf bedacht, ihr Lippenstift-Kunstwerk nicht zu verschmieren. „Wirklich? Meinst du ehrlich?“ „Ja! Auf jeden Fall! Wenn du ihn in dem Outfit nicht klarmachst, dann ist er schwul!“ Die Mädchen lachen lauthals über die Musik hinweg. „Und was soll ich anziehen?“, fragt Amber und sieht an ihrem Körper herunter. Ich hab keine Shorts.“ „Awer einen Minirock!“, meint Kim mit offenem Mund. Sie tuscht zum dritten Mal über ihre langen Wimpern. „Den roten. Der sieht doch cool aus. Zieh den mal an.“ „Und welches Oberteil dazu?“ „Hast du ein bauchfreies?“ Amber grinst übers ganze Gesicht. „Ja, hab ich.“ Sie eilt zu ihrem Kleiderschrank und zieht so schwungvoll ein blaues T-Shirt aus dem Stapel, dass alle Shirts auf den Boden fallen. Kim prustet wieder los. Ihre Wangen fühlen sich heiß an, vom Vorglühen. „Das sieht toll aus. Zieh das mal an!“ Sie fischt ein grünes Oberteil aus dem Haufen am Boden und hält es Amber hin. Dann wendet sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Spiegelbild zu. Sie muss Tom heute unbedingt beeindrucken. Wer weiß wann sie wieder die Gelegenheit hat, ihn zu sehen. „Oh Mann, bin ich aufgeregt!“ Sie leert ihre Flasche in einem Zug. „Hast du noch Bier im Kühlschrank?“ „Ja, und bring mir auch noch eins mit.“ Amber steht auf einem Bein und versucht ihren rechten Fuß in den engen Minirock zu fädeln. „Huch!“, ruft sie, als sie das Gleichgewicht verliert und rudert mit den Armen. „Ich hab schon ganz schön einen sitzen!“ „Ich auch!“, ruft Kim und schnappt sich Ambers Arm, um sie zu halten. Als Amber es geschafft hat in den engen Stoffschlauch zu steigen, zieht sie ihn hoch. Mit vereinten Kräften pressen sie ihre Speckröllchen zusammen und Kim schließt mit einzelnen, knappen Zügen den Reißverschluss. „Geschafft!“, stöhnt sie. „Der sitz!“ „Puh, der ist ganz schön eng!“, jammert Amber. „Und das obwohl ich nichts gegessen hab.“ „Du hast nichts gegessen?“ Kim sieht ihre Freundin mit hochgezogenen Brauen an. „Aber dann mach mir heute bloß nicht schlapp! Am besten isst du jetzt noch was. Als Grundlage.“ „Nein, ich kann jetzt nichts mehr essen. Dazu bin ich viel zu aufgedreht. Das passt schon. Das mach ich immer so!“ Kim reicht Amber das grüne Oberteil und sie streift es über. „Perfekt! Ich bin mal schnell in der Küche!“ „Und was für Schuhe?“, ruft Amber in den Flur. „Die schwarzen Stiefel!“ Kim kramt nach dem Flaschenöffner. Mit zwei Zischern hebelt sie die Kronkorken von den Bierflaschen und kehrt zurück in Ambers Schlafzimmer. „Du siehst Bombe aus!“ Sie reicht Amber eine der Flaschen und beide leeren sie sie in wenigen Zügen. „Jetzt lass uns los! Es ist schon gleich elf. Nicht, dass wir den letzten Bus verpassen.“ Auf den hohen Stöckelschuhen über die bucklige Landstraße zu laufen ist anstrengend. Kim beneidet Amber um ihre Stiefel. Sie hätte auch Stiefel anziehen sollen. Doch sie weiß von Pete, dass Tom auf Pumps steht. Er soll diesen Dingern angeblich nicht widerstehen können. Also wird sie sich zusammenreißen und das durchstehen. Eilig laufen sie zur Bushaltestelle. Immer wieder muss Amber ihren Rock nach unten ziehen, weil er ständig hochrutscht. „Warte mal!“, sagt sie schließlich. „Ich glaub der Reißverschluss ist aufgeplatzt!“ Sie dreht ihren Kopf nach hinten, um auf ihren Po sehen zu können und schwankt heftig. Wieder fuchtelt sie hektisch mit den Armen durch die Luft. „Oh, Mann, vielleicht hätte ich das letzte Bier nicht mehr trinken sollen!“ „Ja, oder zumindest nicht so schnell“, gibt Kim ihr recht. „Aber jetzt mach, der Bus kommt jede Sekunde!“ In diesem Moment rauscht der Überlandbus mit einem kräftigen Windzug und leisem Rauschen an ihnen vorbei und sie und Amber fangen gleichzeitig an zu rennen. Doch sie fällt zurück. Auf derart steilen Absätzen zu laufen ist sie nicht gewöhnt. Sie knickt mehrmals um und flucht lautstark vor sich hin. Amber hält an und dreht sich zu ihr um. „Jetzt komm schon!“ Sie wippt in den Knien, um ihrer Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Der Bus steht an der Station. Kim sieht die leuchtend roten Rücklichter und die alte Mrs. Turner, wie sie langsam aussteigt. Stufe für Stufe. Sie dankt dem Himmel, dass sie im Bus war und rennt weiter. Im Laufen streift sie hüpfend die Pumps ab und gibt ihre Feinstrumpfhose auf. Im Club kann sie sie ausziehen. Dort wird es dunkel sein. Niemand wird bemerken, dass sie keine trägt. Mit den Schuhen in der Hand läuft sie weiter. Kleine, scharfkantige Streusteinchen stechen in ihre Fußsohlen. Schon nach zwei Schritten ist die Strumpfhose hin. „Komm schon!“, brüllt Amber, die den Bus fast erreicht hat. Dann wird ihre Stimme von einem lauten Hupen verschluckt und das kräftige Rot der Rücklichter wird dunkler. „Nein! Warten Sie!“, schreit Kim außer Atem. Jetzt sieht sie den linken Blinker orange aufleuchten und gleich darauf schert der Bus auf die Straße aus. „Was für ein beschissenes Arschloch!“, kreischt sie so laut, dass sie husten muss. Ihre Pumps fliegen in hohem Bogen ins angrenzende Gras. „Ach das ist doch Kacke!“, stimmt Amber weinerlich ein, als sie sie erreicht hat. „Das wars, der is weg!“ „Und was machen wir jetzt?“ „Keine Ahnung!“ „Mir tut mein Knöchel weh! Setzen wir uns mal kurz da hin.“ Amber stützt sie beim Laufen und sie setzen sich ins verwaiste Bushäuschen. „Ich bin ganz schön umgeknickt grade. Das tut jetzt höllisch weh.“ „Na, da hab ich was für dich!“ Grinsend nimmt Amber ihren kleinen goldenen Rucksack ab. Mit einer Hand kramt sie darin herum und zieht eine Colaflasche heraus. „Jetzt ist es nämlich auch schon egal. Ballern wir uns weg!“ „Mit Cola?“, fragt Kim belämmert. „Das ist nicht bloß Cola. Was denkst du denn? Das ist mehr Barcardi drin, als Cola. Das wird uns trösten, glaub mir.“ Der Ärger über den Busfahrer lässt langsam etwas nach. Jetzt spürt Kim die Enttäuschung. „Und was ist mit Tom?“ Amber schaut sie mitleidig an. Dann hält sie ihr die Flasche hin. „Scheiß drauf!“ Nachdem sie die Flasche zur Hälfte geleert haben, wird die Stimmung an der Bushaltestelle lustiger. Sie sind beide ausgelassen. Erzählen sich abwechselnd Geschichten, die sie miteinander erlebt haben und fallen sich dann und wann herzlich um den Hals. „Du bist meine echt beste Freundin!“, lallt Amber und schlingt die Arme um Kim. „Ich hab dich echt voll lieb!“ Kim antwortet ihr mit einem Rülpser. Jetzt sind sie nicht mehr zu halten. Beide vorn über gebeugt müssen sie sich die Bäuche halten vor Lachen. „Du bist sooo blöd!“, ruft Amber in die Nacht hinein. „Ich sag dir, dass ich dich lieb hab und du rülpst einfach? Das war n wichtiger Moment, Kimmy!“ Wieder lachen sie beide und dann nehmen sie sich wieder in den Arm. „Scheiß auf Tom. Der is sowieso n Blödmann!“ „Is er nich!“, setzt Kim dagegen. „Er is voll süß!“ „Isser nich! Der hat Haare am Arsch!“ „Was?!“ Kim löst sich von ihrer sehr betrunkenen Freundin und schiebt sie von sich weg. „Woher weißt du das denn?“ Jetzt sieht Amber etwas betreten aus und zuckt mit den Schultern. „Hab ich halt gehört.“ „Von wem? Kenns du eine, die mit ihm rumgemacht hat?“ Amber sieht auf den Boden. „Is doch egal.“ „Ja! Hast recht!“ Kim legt ihren Arm wieder um Ambers Schultern und grinst. „Ja is egal.“ In diesem Moment wird die dunkle Landstraße von zwei weißen Lichtkegeln erhellt und die Mädchen kneifen unisono ihre Augen zusammen. Die Scheinwerfer kommen näher und ein weißer Pick-up hält direkt vor ihnen. Langsam gleiten die Scheiben der Beifahrerseite nach unten. „Eine Heimfahrgelegenheit!“, kreischt Amber und springt auf. „Das ist ja genial!“ Sie läuft mit einiger Schlagseite zum Wagen. „Bo kannst du mich und Kimmy nach Hause fahren? Wir sin total dicht.“ Kim hat Mühe aufzustehen. Schwankend schlurft sie zum Wagen. „Hey, Bobo! Was geht ab?“ Die fast leere Colaflasche bleibt an der Bushaltestelle stehen, als die Mädchen ins Auto steigen. Sie klettern beide auf die Rückbank. Amber legt ihren Kopf in Kims Schoß. Eben war sie noch total aufgedreht und jetzt sieht es so aus, als wolle sie schlafen. Bo mustert Kim durch den Rückspiegel. Sein regloser Blick jagt ihr einen Schauer über den Körper. Sie schüttelt den Schauder ab und lehnt ihren schweren Kopf an die kühle Scheibe. Mit geschlossenen Augen streichelt sie über Ambers Locken. Sie scheint eingeschlafen zu sein. Es ist ein Glück, dass Bo vorbeigekommen ist. Sie kann sich nicht vorstellen wie sie ohne ihn hätten nach Hause kommen sollen. Sie sind beide völlig betrunken. Bo wohnt gegenüber von Ambers Haus. Sie kennen ihn schon ihr ganzes Leben lang. Nicht, dass sie ihn je beachtet hätten. Er ist irgendwie seltsam. War er schon immer. So eine Art Einzelgänger. Hat noch nie viel gesprochen. Ist immer irgendwie abwesend. Amber und sie haben sich nicht selten über ihn lustig gemacht. Über seine oft unbeholfene Art, sein Stottern, seinen belämmerten Blick. Auch jetzt fragt sie sich, wie er den Führerschein geschafft haben konnte. Doch sie schämt sich für ihre abwertenden Gedanken. Schließlich ist er so nett, sie beide heimzufahren. Sie muss kurz eingenickt sein. Sie fahren noch immer? Mit dem Auto ist Ambers Haus nur wenige Minuten von der Bushaltestelle entfernt. Sie müssten längst da sein. Kim öffnet die Augen und schaut aus dem Fenster. Ihr Herz stolpert, als sie bemerkt, dass sie nur Blätter sieht, die dicht an der Scheibe vorbeigleiten. Es ist stockdunkel. Keine Straßenlaternen. Wo sind sie? Unsicher sucht sie im Rückspiegel Bos Augen. Soweit sie es erkennen kann, sind sie konzentriert auf den Weg gerichtet. Es ist keine geteerte Straße, auf der sie fahren. Es ist ein unbefestigter Weg mitten im Wald, der nur ein paar Meter weit vom grellen Licht der Scheinwerfer beleuchtet wird. Kim kann nur trockene Erde und ein paar Steine erkennen, dahinter ist alles schwarz. Jetzt schlägt ihr Herz wild und heftig gegen ihre Brust und sie erschrickt fast zu Tode, als ein Zweig heftig gegen die Windschutzscheibe knallt. Mit ein paar tiefen Atemzügen versucht sie etwas klarer im Kopf zu werden. Wo sind wir? will sie Bo fragen, doch die Angst vor der Antwort lässt sie innehalten. Plötzlich hat sie so ein unheilvolles Gefühl. Ihr benebelter Kopf will nicht geradeaus denken. Was soll sie tun? Aus dem Wagen springen? Das ist der Impuls, den sie spürt. Doch dann müsste sie Amber zurücklassen. Sanft rüttelt sie an ihrer Schulter. „Wach auf!“, flüstert sie. „Amber, wach auf!“ Räkelnd rührt sie sich und öffnet träge die Augen. „Sind wir da?“ Kim sieht wieder in den Rückspiegel und diesmal trifft Bos Blick direkt in ihre Augen. Schlagartig fühlt sich ihr Körper an, als würde er zerfließen. Als hätte er nichts was ihn zusammenhält oder stabilisiert. Panisch bedeutet sie ihrer Freundin mit den Augen aus dem Fenster zu sehen. Als Amber ihre angespannte Stimmung bemerkt, folgt sie ihrem Blick. Das pure Entsetzen, das Kim jetzt in Ambers Augen ablesen kann, peitscht ihre Panik noch weiter hoch. Was hat Ambers Mom immer über den Nachbarsjungen gesagt, als sie noch jünger waren? Der ist nicht ganz richtig im Kopf. Plötzlich werden sie beide an die Rückseiten der Vordersitze geschleudert. Bo hat den Wagen abrupt angehalten. Als Kim sich wieder gefangen hat, sieht sie, dass er sich zu ihnen umgedreht hat. Dämlich grinst er sie an. Dann stirbt das Lachen in seinen Augen. „Aussteigen Ladies!“, gibt er einen Befehl, der keinen Widerspruch duldet. „Jetzt machen wir Party!“ In Kims Körper fühlt es sich an, als sei das Blut, dass noch eben wild durch ihre Adern schoss, plötzlich schockgefroren. Sie kann sich nicht bewegen. Amber scheint es ebenso zu gehen, denn sie rührt nicht einen Muskel. Sie starrt in das Gesicht ihres Nachbars. Das Grinsen ist noch immer auf seinem Mund, nur erreicht es seine Augen nicht. Diese funkeln sie böse an. Sie sollten fliehen. Jetzt haben sie die Möglichkeit. Das Auto steht und bis Bo ausgestiegen und um den Wagen herumgelaufen ist, hätten sie einen kleinen Vorsprung. Sie hätten eine Chance. Löse den Gurt! sagt Kim stumm zu sich selbst, doch sie wagt es nicht. Zu groß ist die Furcht, sie könnte Bo verärgern. Wer weiß zu was er fähig ist? Jetzt kommt wieder etwas Leben in Amber. Sie hat sich vom anfänglichen Schrecken erholt und schnallt sich ab. Noch immer sehr beeinflusst vom Alkohol spricht sie Bo lallend an. „Jetzt komm schon … fahr uns bitte heim! Party machen wir ein andermal. Wir sind durch heute!“ Kim beobachtet das Mienenspiel ihres Fahrers ganz genau bei Ambers Worten. Er zuckt mit keinem Muskel. Sein Gesicht ist wie versteinert. Dann schießt sein Arm nach vorne und Kim spürt, wie eine warme Flüssigkeit auf ihr Gesicht spritzt. Auf ihre Wange und auf ihren Hals. Jetzt kann sie es in Bos Hand metallisch aufblitzen sehen. Ganz kurz nur und noch bevor sie begreift was passiert ist, sinkt Amber ihr in den Schoß. Reflexartig schaut Kim zu ihr hinunter. Ambers Augen sind weit aufgerissen. Ihr gesamter Körper zuckt unkontrolliert. Mit beiden Händen hält sie ihren Hals umklammert. Obwohl es so dunkel ist, kann Kim erkennen wie eine schwarze Flüssigkeit zwischen ihren Fingern hervorströmt. Im gleichen Moment fühlt sie das Warme zwischen ihren Beinen hindurchsickern. „Mit dir will ja auch keiner spielen!“, dröhnt eine Stimme an ihre Ohren und bringt ihr Herz zum Rasen. Es poltert in ihrer Brust. Hämmert gegen ihre Rippen. Ihre Beine zappeln, wollen rennen. Ambers mittlerweile regloser Körper fühlt sich an wie eine Bedrohung. Wie ein Riegel in einem Achterbahnsitz, der sie auf ihrem Platz hält. Er fühlt sich nicht mehr an wie der Körper ihrer Freundin, sondern er fühlt sich an wie eine gruselige Filmrequisite. Ein blutiger Leichnam, der ihr die Flucht verwehrt. Kim versucht Amber mit beiden Händen von ihren Oberschenkeln zu schieben, sich aus ihrer Falle zu befreien. Doch die Lehne des Vordersitzes macht es unmöglich. Panisch schaut sie auf und stellt mit Entsetzen fest, dass Bo ihr völlig ruhig und amüsiert dabei zusieht, wie sie sich versucht von Ambers Körper zu befreien. Schlimmer noch. Nun gibt er ihr auch noch einen Tipp: „Du solltest den Gurt lösen, Dummerchen. Wie willst du denn sonst aus dem Wagen kommen?“ Kims Hände zittern. In ihrem Kopf herrscht blankes Chaos. Die Wirkung des Alkohols ist verflogen. Hat Ambers trotteliger Nachbar Amber wirklich grade umgebracht? Tränen fluten ihre Augen und durch den trüben Schleier kann sie sehen, wie Bos Arm lässig über der Kopfstütze hängt. Er strahlt völlige Ruhe aus und das macht Kim noch mehr Angst. Seine Ruhe sagt ihr, dass er die Situation im Griff hat und er sich sicher ist, dass sie ihm nicht entkommen kann. Plötzlich wird das Wageninnere in grelles Licht getaucht. Kim sieht wieder das Messer aufblitzen, das er in der Hand hält. Es ist nicht groß. Normalerweise würde sie sich vor so einem winzigen Messer nicht fürchten. Doch gerade hat sie miterleben müssen was dieses Messer anrichten kann. „Hilfe!“, schreit sie. „Hilfe!“ So schnell die Lichter gekommen waren, sind sie auch schon wieder weg und Bo hat sich kein Stück gerührt. Nun befolgt sie seinen Rat und schnallt sich ab. Sie spürt wie es ihr widersterbt seinen Anweisungen zu folgen. Doch dazu weiter darüber nachzudenken kommt sie nicht, denn nun kommt Bewegung in ihren Kontrahenten. Noch während des Klickens des Gurtes, dreht er sich um und öffnet die Fahrertüre. Jetzt heißt es rennen. Kim öffnet ebenfalls ihre Türe, schiebt mit einem lauten Stöhnen Ambers Körper zur Seite und fällt danach aus dem Wagen. Geschüttelt von Angst und Grauen versucht sie auf die Beine zu kommen. „Wo willst du denn hin?“ Bo hat sie schon erreicht bevor sie auf ihren Beinen steht. Kim hält in ihrer Bewegung inne. Ihr rechter Arm ist auf den steinigen Waldweg gestützt und ihre zitternden Knie sind zwischen Hocken und Stehen eingefroren. „Bo, bitte lass mich gehen!“, versucht sie es mit Flehen, aber sie erntet nur ein bitteres Schnauben. Sie lässt sich auf den Po fallen und versucht erneut aufzustehen. „Bitte, ich hab dir doch nichts getan!“ Jetzt wird plötzlich ihr Hals zusammengepresst. Es ging so schnell, dass sie Bos Hand gar nicht kommen sah. Mit eisernem Griff drückt sie auf ihren Kehlkopf. Kim hört ein röchelndes Geräusch durch ihren Panikmantel. Sie ist aber zu sehr damit beschäftigt die Augen aufzureißen und mit den Beinen zu strampeln, um zu erkennen, dass es ihr eigenes Röcheln ist, das sie hört. Bo verzieht keine Miene. Kurz taucht das Bild des Terminators vor ihren Augen auf. Arnold Schwarzenegger ohne jede Emotion in seinem Gesicht. Fast gleichzeitig regnet es einen Hagel weißer Punkte. Es werden immer mehr, bis Arnies Gesicht verschwunden und alles nur noch weiß ist. Alles kribbelt und endlich hört der Druck auf ihren Hals auf. Laut saugt ihr Körper automatisch den Sauerstoff ein, zu dem er jetzt wieder freien Zugriff hat. Immer wieder. Bo lässt sie atmen. Interessiert schaut er ihr dabei zu. Nachdem sie sich von seinem Anblick losgerissen hat, stellt sie fest, dass sie sich nicht mehr neben dem Pick-up befindet. Er muss sie, während er sie würgte, weggeschleift haben. Ihr Brustkorb brennt. Das Herz wummert ohne Unterlass. Sie kann nicht weit sehen, aber sie kann erkennen, hier sind keine Bäume. Eine Lichtung? Bevor sie weitere Details herausfinden kann, spürt sie einen schmerzhaften Schlag auf den Kopf. Als der Schmerz nachlässt, kann sie auch das Blut spüren, das ihr über die Wangen und über den Hals herunterläuft. Was hat er vor. Will er sie nun umbringen, oder nicht? Bei Amber hat er nicht so lange gefackelt. Kim schluckt. Versucht sich zu orientieren. Vielleicht lässt er sie ja am Leben. Was weiß sie? Sie sitzt. Sie blutet. Angestrengt starrt sie in die Dunkelheit, um sich ein Bild zu machen, wo sie sich befindet. Inmitten ihrer Überlegungen wird sie auf den Mund geküsst. Sie erschrickt so sehr darüber, dass sie sich schreiend aus dem Kuss befreit. Wieder trifft sie etwas am Kopf. Ein zweites Mal entzieht sie sich Bos Kuss nicht. Es ist ein guter Kuss. Er ist leidenschaftlich und zärtlich. Wie sehr wünscht sie sich es sei Toms Kuss, den sie spürt. Ob Tom überhaupt so küssen kann? Dieser Kuss schmeckt nach Liebe. Für einen kurzen Moment lässt sich Kim in ihn hineinfallen. Kostet ihn aus. Wundert sich, dass Bo so zu küssen vermag. Sie ist so müde. Trotzdem kommen die Erinnerungen und mit ihnen die Schuldgefühle. Wie gemein sie zu Bo waren. Sie haben sich nur über ihn lustig gemacht, all die Jahre. Kein Wunder, dass er verbitterte. Vielleicht kann sie es wieder gut machen und so ihr Leben retten? Jetzt spürt sie seine Hand. Sie gräbt sich an ihrem blutverschmierten Dekolleté entlang unter ihre Bluse. Ist das seine Zunge an ihrem Hals? Leckt er ihr Blut auf? Entsetzt versucht sie sich von ihm weg zu lehnen, doch sie hat nicht genug Kraft. „Bo, bitte hör auf!“ Ihre Antwort ist ein so schmerzhafter Biss in ihren Hals, dass sie laut aufschreit. Wieder die Zunge. Die fährt seitlich an ihrem Hals entlang. Jetzt drückt er sie nach hinten. Automatisch wehrt sich ihr Körper, sich ins Leere stoßen zu lassen, doch mit Leichtigkeit lässt er sich nach unten drücken. Sie spürt eine weiche Unterlage in ihrem Rücken. Befindet sie sich in einem Bett? Bo will Sex mit ihr. Das hat sie schon verstanden. Vielleicht wird er sie danach gehen lassen. Kim wappnet sich und nimmt sich vor sich nicht zu wehren. Es einfach über sich ergehen zu lassen, wenn sie so überleben kann. Vielleicht kann sie ihn besänftigen, indem sie ihrerseits seine Zuwendungen erwidert. Und die Zuwendungen, die er ihr zuteilwerden lässt sind wundervoll. Kim kann kaum glauben, wie zärtlich er ist. Immer wieder küsst er sie liebevoll. Überall an ihrem Körper. Ihre Stirn, ihren Hals, ihre Hände… Im Grunde, muss Kim zugeben, ist noch niemals ein Mann so zärtlich zu ihr gewesen. Bo drängt sie nicht. Er streichelt sie, streicht ihr übers Haar, küsst ihren Scheitel. Dabei entfährt ihm der ein oder andere Seufzer. In ihr regt sich Mitgefühl und schlechtes Gewissen. Wie konnten sie so oberflächlich sein und ihn nie beachtet haben. Er ist ein sensibles Wesen. Jetzt kommen seine Lippen wieder zu ihren und diesmal erwidert sie seinen Kuss. Sie gibt alle Gefühle hinein, die sie aufbringen kann und es fühlt sich gut an etwas Gutes zu tun. Bo nimmt ihren Anteil an dem Kuss auf und das scheint seine Leidenschaft immer weiter anzufeuern. „Ich liebe dich!“, presst er zwischen seinen Lippen hindurch, die heftig auf ihre gedrückt sind. Es funktioniert. Wenn sie ihm glaubhaft vermittelt, dass sie seine Gefühle erwidert, wird er sie ganz sicher nicht umbringen, dann wird er ihr ihre Gemeinheiten über all die Jahre verzeihen. Bos Lippen drücken fordernd und jetzt spürt Kim seine Hand an ihrer Brust. Es dauert nicht lange sagt sie sich und kneift die Augen zusammen. Er wird sicher total schnell kommen. Bos Hand wandert weiter nach unten und in dem Moment, in dem sie den Bund ihrer Shorts erreicht, hört sie ihn sagen. „Tut mir echt leid Kimmy, aber ich vögle keine lebenden Frauen!“ Bei dem Wort Frauen spürt sie den Stich. Ein schneidender Schmerz zuckt in ihrer Brust. Es tut so weh, dass sie nicht merkt, dass sie nicht atmen kann. Vor ihren Augen zieht Bo seine Jogginghose nach unten. Sein riesiger Schwanz springt heraus wie ein Schachtelteufel. Kim, mit beiden Händen ihre Brust haltend, muss zusehen, wie er ihre Shorts mit dem blutigen Messer von ihren Oberschenkeln schneidet. Aus dem Loch in ihrer Brust fließt immer mehr Blut. Ihr Blick verschwimmt bereits, als er sie sich zurechtlegt. Mit einer ruppigen Bewegung zieht er sie sich direkt vor seinen Schwanz. Doch es ist nicht sein Schwanz, der in sie eindringt. Es ist das Messer. Wieder das kleine Messer, dass immer mehr Löcher in sie sticht und das Leben aus ihr herauslaufen lässt. Wieder und wieder sticht Bo zu. Zum Schreien fehlt ihr die Luft. Das letzte was sie wahrnimmt ist wie er schließlich in sie eindringt und das warme Blut aus ihr herausschwappt. BO 1 Ich bin Bo. Bo Hall. Eigentlich ist mein Vorname Bogart. Wie der Nachname von Humphrey Bogart. Aber es fühlt sich für mich falsch an, einen Nachnamen zum Vornamen zu haben. Also Bo. Morgens wenn ich aufwache ist mein Schwanz ganz dick und groß. Das ist meistens so. Dann reibe ich ihn bis dieses schöne Gefühl kommt. Das gefällt mir. Wenn er nicht groß ist, streichle ich ihn, bis er es ist. Dann kann ich ihn besser reiben. Das hab ich von Mutter gelernt. Sie hat das früher für mich gemacht. Aber jetzt mache ich es selber. Oder Curly. Ich liebe Curly. Ich kenne sie schon eine Ewigkeit. Ich war zwölf, als ich sie traf. Ich weiß noch genau an welchem Tag das war, weil an diesem Tag ist in unserem Dorf was Schlimmes passiert. Ein Mädchen ist verschwunden. Das war eine Riesenaufregung im Dorf. Die haben sie gesucht. Ich nicht. Ich war beschäftigt. Aber der Rest von den Leuten im Ort hat nach dem Mädchen gesucht. Ihr Name war Mary. Sie haben sie aber nicht gefunden. Das war schlimm. Ich weiß noch wie die Mutter im Fernseher geweint hat. Tagelang haben sie sie gezeigt und immer wieder hat sie unsichtbare Leute angebettelt, Mary heimzuschicken. Das fand ich irgendwie lustig. Die Frau hat komisch ausgesehen, mit ihren verschmierten Augen. Die waren ganz schwarz. Selber schuld, wenn man sich Wimperntusche draufschmiert und dann heult. Jedenfalls haben sie sie nicht gefunden. Ein paar Wochen später kam die Mutter dann nicht mehr im Fernseher. Curly liebt mich auch. Aber in letzter Zeit mag ich gar nicht mehr zu ihr gehen. Sie stinkt. Die ganze Hütte stinkt. Und ich habs auch satt immer auszumisten. Da fällt mir eine Szene in einem Film ein, den ich mal gesehen hab. Da sagt die Mutter zu ihrem Sohn: „Am Anfang freust du dich noch über dein Haustier, aber wenn du dann jeden Tag sein Gehege saubermachen musst, wirst du nicht mehr so glücklich sein!“ Da hat die Frau im Film recht. Ich hab dazu auch keine Lust mehr. Soll sie ihren Dreck doch selber wegmachen. Wieso eigentlich muss ich das tun? Ich werde sie nicht mehr füttern, bevor sie nicht sauber gemacht hat. Außerdem muss ich jetzt sowieso erstmal zur Arbeit. Seit Mutter fort ist, muss ich alles allein machen. Das nervt mich manchmal. Ich würde lieber meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen, statt den Leuten im Dorf Shampoo und Kondome zu verkaufen. Das bringt nicht viel Ertrag und ist ein Haufen Arbeit. Ich würde gerne was anderes machen. Aber was anderes hab ich nicht gelernt. Und ich brauche das Geld. Damit ich genug Zeit für mich habe, habe ich die Öffnungszeiten geändert. Mutter hatte den Laden 15 Stunden täglich geöffnet, das fällt mir nicht ein. Wer bei mir einkaufen will muss sich an bestimmte Zeiten halten. Anfangs waren die Leute verärgert, wenn sie abends kamen und der Laden war geschlossen. Doch allmählich haben sie sich an meine Zeiten gewöhnt. Ich habe sie gut erzogen. Mutter wäre stolz auf mich. Nicht, dass ich den Laden jetzt nur noch 8 Stunden offen habe, sondern darüber wie gut ich mich durchgesetzt habe. Irgendwie fehlt sie mir. Aber ich bin auch froh, dass sie fort ist. Kann mich nicht recht entscheiden. Ich schließe die Augen und reibe… Am Laden schließe ich das Vorhängeschloss auf und kurble das Gitter hoch. Wie jeden Morgen muss ich dabei lachen. Der Laden ist wie Fort Knox gesichert. Als wenn es dort etwas Wertvolles zu stehlen gäbe. „Guten Morgen, Bo!“, begrüßt mich der Mann vom Wurstladen nebenan. Er heißt Ragnar. Ein wirklich seltsamer Name, deshalb merke ich ihn mir. Ansonsten interessieren mich Männer nicht und ich merke mir nicht ihre Namen. Doch bei Ragnar ist das eine Ausnahme. Ich hebe meine rechte Hand zum Gruß und verziehe mich in den Laden. Die Leute im Ort sind freundlich zu mir. Das war nicht immer so. Das hat erst angefangen, als Mutter weg war und ich den Laden übernommen habe. Davor haben sie über mich gelacht. Sie nannten mich einen Schwachkopf oder zurückgeblieben. Und sie haben sich nicht einmal geschämt dabei, das in meiner Gegenwart zu sagen. Da hat es dann immer so ein komisches Gefühl in meiner Brust gegeben. Aber jetzt habe ich das Gefühl nicht mehr. Sie respektieren mich. Schließlich leite ich ein Geschäft und sie wollen hier einkaufen. Manchmal fragen sie nach Mutter, aber das kommt nur noch selten vor. Auch die kleinen Gemeinheiten machen sie jetzt nicht mehr. Früher habe ich oft mein Fahrrad an einem Baum aufgehängt gefunden. Das zu tun wurden sie überhaupt nicht müde. Sie taten es fast jede Woche einmal. Oder sie haben mich mit Tinte bespritzt. Solange es blaue Tinte war, war es nicht so schlimm. Die geht beim Waschen problemlos raus. Aber irgendwann benutzten sie schwarze Tinte. Die lässt sich nur sehr schwer entfernen. Am schlimmsten war es, wenn sie mich festhielten und boxten. Oder wenn sie mir etwas ins Gesicht schmierten, zum Beispiel Farbe. Dann musste ich mich oft erbrechen. Und dann haben sie gelacht. Mich Weichei genannt und mit den Schuhen in meinen Bauch getreten. Ich weiß nicht warum sie das taten. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas gemacht habe, um das zu provozieren. Aber ich weiß es nicht genau. Irgendetwas muss ich gemacht haben, wieso sonst haben sie mich so behandelt? Ich habe damals viel darüber nachgegrübelt, was es sein könnte. Das brauche ich jetzt nicht mehr. Da bin ich froh. Viele von denen, die das damals gemacht haben, sind jetzt nicht mehr da. Vor ihnen brauche ich mich nicht mehr zu fürchten. Das ist gut. Eine junge Frau kommt zu mir an die Theke und lächelt mich an: „Guten Morgen! Ich würde das hier gerne bezahlen!“ Sie ist so freundlich. Ihre Augen strahlen mich an. Vielleicht ist sie in mich verknallt. Ich schenke ihr mein liebevollstes Lächeln und tippe die Beträge in die Kasse ein. Einen Scanner habe ich nicht. Ich tippe lieber. Dabei lasse ich sie nicht aus den Augen. Ich ziehe eine Tragetasche unter dem Tresen hervor und packe die Sachen ein. Dabei muss ich meinen Blick kurz von ihr abwenden und darauf achten was ich tue. Windeln. Sie hat Windeln gekauft. Und Rasierschaum. Sie hat einen Kerl. Wütend schiebe ich das Zeug, das sie gekauft hat in den Beutel und hebe ihn über die Theke. „Danke!“, verabschiedet sie sich freundlich. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“ „Mmmmhh!“, brumme ich nur, weil sie mir gerade meinen schönen Tag verhagelt hat. Ich kann es nicht leiden, wenn Frauen mir schöne Augen machen und dann ist nichts dahinter. Blöde Schlampe! Aber was solls. Den Stecher, den die am Start hat will ich gar nicht sehen. Sicher ist er ein total hässlicher Arsch. Sie hat ihn verdient. Andere Männer anmachen, obwohl sie liiert ist. Das geht gar nicht! Das hat Mutter auch immer gemacht. Das war echt furchtbar! Da bin ich froh, dass sie jetzt weg ist. Immer hat sie einen anderen Kerl mit nach Hause gebracht. Und dann war ich Luft für sie. Sie kam nicht zu mir ins Zimmer, um mir Gute Nacht zu sagen. Kam nicht morgens in mein Bett, um meinen Schwanz zu reiben. Wenn diese Kerle da waren, hat sie mich einfach ignoriert. Einmal hab ich mich so allein gefühlt. Da bin ich in ihr Zimmer und hab mich zu ihr ins Bett gelegt. Als sie aufgewacht ist, hat sie mir fest ins Gesicht geschlagen, weil ich ihre Hand auf meinen Schwanz gelegt habe. Der Kerl, der neben ihr im Bett lag, ist auch wach geworden. Mutter hat mich an den Haaren aus ihrem Schlafzimmer geschleift und mich in meinem Zimmer eingesperrt. Danach bin ich nie wieder zu ihr gegangen, wenn Kerle da waren. Und es waren oft welche da. Da hab ich mir Curly geholt. Seitdem lasse ich sie das machen mit dem Reiben. Oder ich mache es einfach selbst. Jetzt muss ich wieder an Curly denken. Ich platziere meinen Hintern auf den Drehhocker und stütze meine Ellbogen auf den Tresen. In der Mittagspause muss ich zum Schuppen gehen. Seit drei Tagen war ich nicht mehr da. Ich mag nicht mehr hingehen. Aber heute muss ich. In meinem Magen zieht es. Ein wirklich unangenehmes Gefühl. Curly hat auch schon mal besser ausgesehen. Vielleicht ist es Zeit sich nach was Neuem umzusehen. Ich könnte Curly gehen lassen. Ihre beste Zeit hat sie eindeutig hinter sich. Und wieso soll ich mich mit mangelhafter Ware zufriedengeben? Das muss ich nicht. Jetzt habe ich mich entschieden. Ich werfe Curly aus meinem Alltag. Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen. Der Vormittag vergeht heute überhaupt nicht. Mir ist so langweilig. Wenn das so weitergeht, werde ich den Laden bald zumachen. Er schreibt jetzt schon mehr rote Zahlen als schwarze. Das ist so ein Spruch, den ich mal in einem Film gehört hab. Aber im Grunde weiß ich gar nicht was er bedeutet. Ich glaube das soll heißen, dass man pleite ist. Aber einen Vorteil hat es, dass heute kaum jemand etwas einkauft. Ich habe Zeit mir zu überlegen was ich jetzt mache. Als erstes gehe ich in den Werkzeugladen und hole Plastikplanen und Farbe. Es wird Zeit, die Hütte zu streichen. Die sieht echt verwahrlost aus. Curly soll das machen, bevor sie geht, schließlich hat sie sie ja auch dreckig gemacht. Ich schiele immer wieder auf die Wanduhr. Jetzt kann ich es kaum erwarten bis es Mittag ist. Aber es ist mein Laden. Ich kann entscheiden, wann er offen ist und wann nicht. Also warum nicht gleich zum Werkzeugladen fahren? Um den Pick-up bin ich sehr froh. Der erleichtert mein Leben ungemein. Wenn ich ihn nicht hätte, wäre mein Leben um einiges schwieriger. Noch vor zwölf bin ich im Werkzeugladen und stecke einen Chip in einen Einkaufswagen. Ich muss mich sehr konzentrieren, um mir in meinem Kopf auszudenken, was ich brauche. Pinsel? Oder besser so eine Rolle, mit der man Farbe auf die Wand rollen kann. Das finde ich lustiger. Ich schiebe den Wagen in einen Gang, wo es Farbe gibt. Und da sehe ich auch solche Rollen. Welche Farbe soll ich nehmen? Weiß ist doof. Da sieht man ja gleich wieder den kleinsten Spritzer. Aber Rot will ich auch nicht. Rot ist eine besondere Farbe. Sie sollte nicht achtlos an Wände gerollt werden. Grün? Meine Zähne beißen meine Lippen und ich kann mich nicht entscheiden. „Kann ich ihnen weiterhelfen?“, fragt mich jemand, doch ich habe keine Lust mit dem Kerl zu reden. Nachdem er kapiert hat, dass ich ihm nicht antworte, macht er sich vom Acker. Er soll sich verziehen. Ich kann das allein. Ich werde mich wohl für eine verdammte Farbe entscheiden können! Rosa? Ja! Rosa ist heiß! Das ist so ein ganz kleines bisschen rot, aber auch doch nicht. Das ist es! Ich greife mir eine von den Farbpaletten, die am Regal hängen und suche mir einen Farbton aus. Hier steht, der müsse extra angemischt werden, man solle sich ans Personal wenden. Mist! Dann eben nicht rosa. Jetzt schaue ich mir an, welche Farben schon fertig in Eimern im Regal stehen. Ich greife mir einen und stelle ihn in meinen Einkaufswagen. Ocker, das passt schon. Jetzt die Rolle. Dann brauche ich noch Plastikplanen und Klebeband. Was noch? Putzmittel! Ja, genau, wie soll man sonst den Dreck abkriegen. Am besten Bleichmittel! Aber das stinkt so. Egal, es ist bestimmt das Beste. Ich brauche ewig im Werkzeugladen. Mein Laden sollte längst wieder offen haben. Aber ich gehe heute nicht mehr dorthin. Sollen sie doch vor der Tür stehen. Ich hatte den ganzen Vormittag geöffnet, da hätten sie kommen können. Wer jetzt am Nachmittag kommt hat eben Pech gehabt! Ich fahre jetzt gleich zur Hütte. Curly wird sich freuen. Ich überrasche sie gern. Es ist immer lustig. Sie ist dann immer so verlegen, weiß gar nicht wohin mit ihrem unschuldigen Charme. Sogar heute noch zittern ihre Hände bei meinem Anblick. Das ist schon ziemlich süß! Vielleicht sollte ich sie doch behalten. Ich hab mich an sie gewöhnt. Sie ist irgendwie zu meiner Familie geworden. Ganz besonders, seit Mutter weg ist. Naja mal sehen, wie es läuft. Und wie ich mich fühle, wenn die Scheune wieder sauber ist. Vielleicht überlege ich es mir ja noch. Meine Überraschung gelingt vortrefflich. Curly erschrickt dermaßen, als sie mich sieht, dass ich lauthals loslachen muss. Sie kennt meine Arbeitszeiten und hat mich nicht erwartet. Aber manchmal muss man auch mal was außer der Reihe tun. Sonst wird das Leben langweilig. „Na du? Damit hast du nicht gerechnet, was?“ Curly ist so aufgeregt, dass sie gar nichts sagen kann. Ihre Freude mich zu sehen ist so groß, dass sie Tränen in den Augen hat und am ganzen Körper zittert. Sie scheint mich vermisst zu haben. Das ist ja rührend, aber erstmal muss sie sich waschen. Der Gestank ist ja kaum auszuhalten. Ich gehe zum Wagen zurück und lade meine Einkäufe aus. „Ich hab dir was mitgebracht!“, sage ich zu ihr, aber sie scheint nicht erfreut zu sein. „Da kannst du dir die Hütte schön machen!“, sage ich, aber sie sieht mich nur blöd an. Ihre Augenringe werden auch von Woche zu Woche dunkler. Das sieht wirklich hässlich aus. Ich denke es ist Zeit, dass sie sich schminkt. Früher hat sie das nicht gebraucht. Sie war eine wahre Schönheit. Aber jetzt sieht sie alt aus und verbraucht. Ja, ich denke ich brauche langsam was Frischeres. Maggie vielleicht. Ich muss grinsen. Maggie ist wirklich süß. Und sie hat mich einmal angelächelt. Sie scheint in mich verliebt zu sein. Sie würde gut zu mir passen, denke ich. Aber dann muss Curly weg. Jetzt fällt mir ein, ich hab Wasser vergessen. Wie soll sie putzen ohne Wasser? Ich hole einen Eimer aus dem Nebenraum und gehe zum Wasserhahn nach draußen. Curly will mitkommen, doch ich will nicht, dass sie jemand so sieht. Also sperre ich die Türe hinter mir lieber zu. Seit ein paar Jahren redet sie nicht mehr mit mir. Anfangs hat mich das wütend gemacht. Doch jetzt nicht mehr. Es ist sogar besser, wenn sie ihr Maul hält. So muss ich mir nicht ständig ihr Gejammer anhören. Und um mir den Schwanz zu lutschen, braucht sie nicht quatschen, im Gegenteil. Wir haben eine perfekte Beziehung. Sie tut das wofür sie da ist und ich versorge sie mit allem Nötigen. Verdammt, ich hab das Essen vergessen. Ich glaube sie hat seit drei Tagen nichts bekommen. Das ist wirklich nicht nett von mir. Sehr nachlässig! Aber sie könnte auch etwas liebevoller zu mir sein, vielleicht würde ich dann eher an ihr Essen denken. Vögeln tu ich sie nicht. Ich will nicht, dass sie dick wird. Ich muss zugeben ich kann mich nicht besonders gut kontrollieren, wenn jemand an meinem Schwanz herumspielt. Dann trete ich irgendwie neben mich. Ich hab dann keine Macht mehr über das was ich tue. Das ist manchmal wirklich blöd. Und außerdem macht es mir keinen Spaß sie zu vögeln. Ich mag es lieber, wenn sie ihn leckt. Vögeln ist etwas Spezielles für mich. Ich tue es nur sehr selten. Die Gelegenheit ergibt sich nicht so oft, seit ich weiß, was ich will. Ich habe einen Film gesehen, als ich neunzehn war. Da will ein Mann eine bewusstlose Frau vögeln. Da ist mein Schwanz hart geworden. Ich hab mir den Film geholt. Und manchmal schau ich mir die Szene an. 53:17. Das ist die Zeit an die ich spulen muss, um sie zu sehen. Da geht das mit dem Gefühl ganz schnell. Ich brauch kaum zu reiben. Aber ich hab das erst ein paarmal in echt gemacht. Da gings noch schneller. Das war der Wahnsinn. Wenn ich so drüber nachdenke wird er gleich wieder hart. Ich könnte es doch mit Curly machen. Als Abschluss quasi. Ja, das gefällt mir. Ich lasse Wasser in den Eimer laufen und drücke dabei meinen Schwanz. Die Vorstellung ihn Curly jetzt gleich reinzuschieben, macht mich wirklich heiß! Aber dann muss ich selber putzen und streichen. Darauf habe ich keine Lust. Ich sehe ihr lieber dabei zu und reibe ihn mir dabei. Das mit dem Zusehen hat nicht funktioniert. Jetzt muss ich selber streichen. Obwohl sie gestunken hat, wie meine Socken, wenn ich sie nicht wasche, konnte ich nicht warten. Das war dumm, denn jetzt habe ich einen Haufen Arbeit vor mir. Den Laden werde ich diese Woche wohl nicht mehr aufmachen. Aber das Gefühl wars wert. Junge, Junge! Wenn sie noch könnte, würde sie jetzt bestimmt Zwillinge gebären. Oder Drillinge. Jetzt muss ich grinsen. Ich bin der Drillinator! Doch das Grinsen vergeht mir schnell, als ich auf den Haufen Arbeit sehe, den ich vor mir habe. Zuerst mal muss ich Curly waschen. Dieses erste Mal hab ich den Gestank ja vielleicht noch ausblenden können, weil ich so wahnsinns-geil war. Aber nochmal gelingt mir das bestimmt nicht. Ich muss sie saubermachen. Und die Hütte auch. Mann! Ich bin wirklich dämlich. Manchmal nervt es echt, dass ich mich so schlecht im Griff hab. Aber wenn ich daran denke wie ich mir eben mein Hirn rausgevögelt hab, verzeihe ich mir das. Das war der Wahnsinn! Ich werfe Curly auf den Boden und dann ziehe ich sie nach draußen zum Wasserhahn. Dass sie jemand sehen könnte war nur eine Ausrede, um sie nicht rauszulassen. Natürlich kann hier niemand irgendetwas sehen. Meine Hütte liegt mitten im Wald. Aber sie hat es mir immer geglaubt. Sehr süß! Sie wird mir fehlen! Wo ist der Schlauch? Wäre ich gerade nicht so megamäßig befriedigt, würde ich jetzt wütend werden. Aber es ist gut, dass ich ruhig bleibe, denn er ist nur unter einem alten Karton versteckt. Ich hätte mich völlig umsonst aufgeregt. Ich höre erst auf Curly abzuspritzen, als das Wasser klar ist. Ich hab sie mehrmals umgedreht. Ich denke sie ist jetzt sauber. Am besten lasse ich sie noch ein bisschen an der Sonne trocknen, bevor ich sie wieder reinschaffe. Ich schnüffle an ihr. Passt schon! Sie wird die nächsten Tage nicht frischer werden. Vielleicht vögle ich sie lieber gleich heute nochmal, bevor sie zu stinken anfängt. Ja, das mach ich. Aber jetzt bin ich es, der nicht grade nach Rosen duftet. Das hab ich mal gehört. Ich finde den Spruch lustig. Nach Rosen duften… Als ob man das könnte. Nur Rosen können das, oder? Das Streichen und Putzen mag ich heute nicht machen. Vielleicht lass ich Curly draußen und vögle sie gleich hier. Meinem Schwanz gefällt der Vorschlag. Er stimmt mächtig zu. Au weia! Ich bin so ein Sklave! Jeder Kerl, der denkt er sei Herr über seinen Schwanz, irrt sich. Zumindest bin ich es nicht. Jetzt stehe ich schon wieder am Gartenschlauch und spritze Curly ab. Sie wird mir noch aufweichen. Jetzt muss ich das Wasser abstellen, weil ich so lachen muss. Ich lache gerne über meine Scherze. Sie sind lustig! Ich stelle mir vor wie Curly sich auflöst und ins Gras sickert. Das wäre praktisch und lustig zur gleichen Zeit. Jetzt dämmerts schon. Ich muss sie reinschaffen. Ich leg sie besser auf den Rücken, damit ihr Gesicht nicht zu viel abkriegt. Ich hab es beim Rausschleifen schon ziemlich kaputt gemacht. Ganz schön unbedacht von mir. Aber ist jetzt nicht mehr zu ändern. Drinnen stinkts immer noch fürchterlich. Die kurze Überlegung, sie vorm Heimgehen nochmal zu vögeln, schlage ich mir aus dem Kopf. Keine Chance! Vorher muss hier saubergemacht werden! Ich schmeiße sie auf die Matratze und schleiche mich. Morgen ist auch noch ein Tag. Auch wieder so ein lustiger Spruch. Klar ist morgen auch ein Tag. Es ist jeden Tag einer. Keine Ahnung wer sich solche Sprüche ausdenkt. 2 Oh Mann, bin ich froh, dass mich keiner gesehen hat. Das ist mir jetzt schon selber peinlich. Ich bin sowas von schwach. Das ist wirklich traurig. Daran muss ich unbedingt arbeiten. Aber auf der anderen Seite, was soll ich machen? Es ist nicht falsch die Situation auszunutzen solange es geht, oder? Hätte ich sie einfach so vergammeln lassen sollen? Das wäre Verschwendung gewesen. Aber ich hätte sie früher wegbringen können. Gut, dass ich mit dem Putzen gewartet habe, sonst müsste ich jetzt nochmal putzen. Curly fällt langsam auseinander. Jetzt muss ich sie wirklich gehen lassen. Da hilft auch die Gasmaske nichts mehr, die ich besorgt habe. Das macht gar keinen Sinn mehr. Ich muss mich sehr anstrengen, wenn ich mit ihr noch das gute Gefühl bekommen will. Heute hab ich gar keine Lust mehr. Ich machs mir lieber alleine. Trotzdem muss ich zur Hütte. Ich will sie wegschaffen, bevor sie noch Hunde oder andere Viecher anlockt mit ihrem Gestank. Ich hab mir schon was überlegt. Da sie sowieso schon reichlich zerfleddert ist, könnte ich sie in die alte Regentonne quetschen. Da würde sie bestimmt reinpassen. Und dann fahr ich mit ihr an den Fluss. Sie hat ihn immer so geliebt. Glaub ich zumindest. Ich weiß nicht mehr. Aber ich glaube schon. Oder ich schmeiß sie zu Amber und Kimmy in die Grube. Nee, das hat sie nicht verdient. Sie soll nicht bei den beiden Schlampen liegen. Schließlich hat Curly mich jahrelang geliebt. Sie verdient ein ehrenvolleres Grab, als bei diesen Nutten. Der Fluss erscheint mir gut. Da kann sie mit den Fischen spielen, bevor sie sich auflöst. Ich denke das hat sie sich immer gewünscht. Gesagt hat sie es nicht, aber sie hat ja nie viel gesprochen. Wenn ich sie nur fragen könnte. Jetzt bin ich ganz unsicher. Was soll ich mit ihr machen? Was hätte sie gewollt? Ich denke, sicher wäre sie gerne bei mir geblieben, aber das hat sie sich selbst vermasselt. Sie hätte besser auf sich achten sollen. Aber sicher war sie sehr froh darüber, dass sie mir noch eine Weile solch geile Gefühle geben konnte. Das konnte sie zu Lebzeiten nicht. Das wusste sie sicher. Bestimmt war sie glücklich mir diese Gefühle letztendlich doch noch geben zu können. Ach Curly, du warst so ein Engel. Ich werde dich wirklich vermissen. Es wird schwer sein, eine wie dich zu finden. Aber jetzt muss ich mich erstmal um den Laden kümmern. Ich hab ihn total vernachlässigt, so verrückt hast du mich gemacht. Die ganze Ware stapelt sich schon im Hof. Ich muss sie auspacken. Der Fluss muss noch warten Baby, tut mir leid. Es ist wirklich schwer all die Paletten auf einmal auszupacken und in die Regale zu räumen. Mutter wäre stolz auf mich, weil ich es in einer Nacht geschafft habe. Jetzt liegen die Kartons und Folien zwar auf dem Hof, aber die Regale sind ordentlich. Den Müll fahr ich morgen weg, zusammen mit Curly. Die Nacht war kurz, deshalb hab ich bis zwölf geschlafen und meine Vormittagsöffnungszeit verpennt. Ist ja kein Wunder, dass niemand mehr kommt, wenn ich nie aufhabe. Aber jammern hilft da jetzt auch nichts mehr. Ich fahre jetzt zum Laden, hole den Müll und dann zur Hütte. Curly lehnt an der Wand, als ich komme. Ich überlege, ob ich es ihr ein letztes Mal besorgen soll. Wenn ich sie jetzt wegbringe, ist dies hier die letzte Gelegenheit. Wieso nicht? Wer weiß, wann ich wieder dazu komme? Ich ziehe sie ein letztes Mal zu mir her und stoße meinen Schwanz, mit der Hand haltend, in sie rein. Ich muss ihn halten, weil ihr Loch es nicht mehr kann. Ich komme schnell, aber im Grunde ist es nichts anderes, als es mir selbst zu machen. Curly hält nicht mehr zusammen. Zeit sie endlich gehen zu lassen. Sehr schade! Ich frage mich, ob ich ein paar Worte sprechen soll, als ich am Fluss stehe. So wie sie es in Filmen machen. Sie in die Tonne zu kriegen war einfach. Hoffen wir mal, sie rutscht ebenso leicht auch wieder raus, sonst hab ich gleich ein Problem. Also soll ich was sagen, oder nicht? Naja etwas kann ich schon sagen: Liebe Curly, es tut mir leid, dass es mit uns auf Dauer nicht geklappt hat, aber ich danke dir für deine Liebe! Sie rutscht, prima. Das Wasser spritzt an meine Hose und weg ist sie. Machs gut Curly! Jetzt tut es mir schon wieder leid, was ich gesagt habe, denn das stimmt ja nicht. Es konnte gar nicht klappen zwischen uns, denn mein Herz ist ja nicht frei. Wie hätte Curly da eine Chance haben können. Es ist ziemlich unfair von mir, ihr eine unlösbare Aufgabe gestellt zu haben. Sicher hat sie all die Jahre ihr Bestes gegeben. Aber sie konnte nicht gewinnen, denn mein Herz gehört einem anderen Menschen. All diese Weiber sind nur Ablenkung. Mit ihnen lebe ich das aus, was ich bei Moa nicht kann. Sie würde das nicht verstehen. Sie wäre schockiert, wenn sie es wüsste. Wenn sie überhaupt von mir wüsste. Manchmal hab ich so große Sehnsucht nach ihr, dass ich nachts aufwache. Dann stehe ich auf und laufe zu ihrem Haus. Nicht immer habe ich dabei eine Hose an. Zum Glück schläft sie nachts und kann mich nicht sehen, wenn ich vor ihrem Fenster stehe. Moa, ist so lieblich! Kein Vergleich mit anderen Frauen. Ich hab noch keine getroffen, die wie sie ist. Ihr Haar ist fast weiß, so wie das von dieser Drachenfrau im Fernseher. Aber Moa ist viel zarter, nicht so derb wie diese Frau. Ich kann sie kaum ansehen. Tränen kommen in meine Augen, wenn ich sie sehe. Aber sie geht auch nicht oft aus. Sie hat so eine Krankheit. Deshalb muss sie drinnen bleiben und ich sehe sie fast nie. Zum Glück gibt es ja noch jede Menge andere Frauen mit denen ich Spaß haben kann. Ich unterscheide da strikt. Spaß und Liebe und tiefe, echte Liebe. Moa ist echte Liebe. Mit ihr würde ich niemals diese Art von Spaß haben, wie mit den anderen. Zumindest nicht vorsätzlich. Sollte sie ihre Krankheit eines Tages dahinraffen, werde ich zur Stelle sein. Das schon. Aber forcieren würde ich das niemals. Nicht bei ihr. Dahinraffen… was für ein dämliches Wort! Ich muss grinsen. Na gut Curly, ich geh jetzt. Ich muss wieder in den Laden. Ich tunke die Regentonne ins Wasser und schwenke sie aus. Schließlich will ich Curlys Körper nicht aufteilen. Es soll alles von ihr im Fluss die letzte Ruhe finden. Zu Hause stelle ich die Tonne zurück unter die Regenrinne. Gießwasser aufzufangen ist was Gutes. Manchmal regnet es hier wochenlang nicht. Am Freitag als die Zeitungen kommen sehe ich eine Schlagzeile beim Einsortieren. Verschwundenes Mädchen nach 15 Jahren aufgetaucht! Das ist schon krass! Nach 15 Jahren! Da soll mal einer sagen, die Polizei mache ihren Job nicht. Die haben sie nach 15 Jahren gefunden, wenn das mal keine Meisterleistung ist! Sicher ist die Mutter jetzt froh. Sie muss nicht mehr flehen, dass sie nach Hause kommen soll. Es ist schon ein wahnsinniger Zufall, dass Curly an dem Tag in mein Leben kam, als diese Mary verschwand und jetzt wo sie fort ist, taucht diese Mary wieder auf. Wie das Leben so spielt. Da mag man doch wirklich an göttliche Fügung glauben. Seit ich Curly in den Fluss gekippt habe, spüre ich es schon. Dieses Gefühl, wenn man die noch unversehrte Folie eines Nutellaglases mit dem Messer durchsticht und dieses Ploppen hört. Das leise Klicken, wenn sich der Kleber löst, wenn man zum ersten Mal den Haken eines Kleiderbügels zur Seite dreht. Erst wehrt er sich ein wenig und nach einem gewissen Drehmoment gibt der Kleber nach und der Haken lässt sich drehen. Das euphorische Gefühl beim Abziehen der Displayfolie von einem neuen Smartphone. Wenn die statische Aufladung auf die feinen Härchen am Handrücken überspringt. Ich bin heiß. Kann es nicht erwarten, eine neue Liebe zu finden. Das erste Mal zu spüren, wie sie zittert. Einen Vorteil hat der Laden. Es kommen viele Leute vorbei und ich sehe Frauen, denen ich sonst vielleicht nie im Leben begegnet wäre. Ich kann sie mir alle genau anschauen. Es ist wie im Supermarkt. Ich kann mir in aller Seelenruhe die Richtige aussuchen. Das ist witzig. Mein Laden ist ein Supermarkt für Frauen. Interessant ist, dass etwa 70 Prozent mehr Frauen im Laden einkaufen, als Männer. Das kommt mir sehr zu Gute. Aber die Richtige war noch nicht dabei. Ich weiß nicht, wie lange ich noch warten kann. Mein ganzer Körper kribbelt und das seit einigen Tagen durchgängig vierundzwanzig Stunden am Tag. Die Hütte ist jetzt wieder sauber. Sie wartet auch auf ihre neue Bewohnerin. Sie ist wie ich schon megaaufgeregt deswegen. Sogar eine Vase mit getrockneten Blumen habe ich hingestellt. Das ist mein Willkommensgruß für meine neue Liebe. Es fehlt mir schon sehr meine Zärtlichkeiten niemandem mehr geben zu können. Ich muss mich bald entscheiden. Doch heute ist schon wieder ein Tag vorrübergegangen, an dem keine dabei war, die in Frage käme. Es ist schon fünf und der Laden schließt in Kürze. Zumindest habe ich heute einen guten Umsatz gemacht. Vor ein paar Wochen fürchtete ich schon ich müsse den Laden bald zu machen, weil die Kunden immer weniger wurden. Doch seit der Baustelle, kommen wieder mehr bei mir einkaufen. Das ist sehr erfreulich. Ich denke ich mache für heute Schluss. Ich gehe zur Ladentüre und da sehe ich sie auf der Straße. Mein Herz rast wie verrückt. Moa sitzt in einem weißen Rollstuhl. Ihr Gesicht ist blas und angespannt. Wie auf unsichtbaren Gleisen schwebt sie auf meinen Laden zu und ich gehe wie in Trance zur Seite. Ich höre die Klingel und den Gruß der Person, die ihren Rollstuhl schiebt. Sie selbst sieht mich nicht an. Aber ich sie. Ich kann meinen Blick nicht abwenden. Langsam schleiche ich hinter meinen Tresen und kann meine Augen nicht von ihr reißen. Sie ist so rein. So schön. So unbefleckt. Kein Schmutz. Kein Laster. Keine dreckige Wollust. Nur Weiß und Jungfräulichkeit. Meine Hände zittern. Ich will sie berühren. Doch das darf ich niemals, denn dann ist das Reine verloren. Sie muss unberührt bleiben. Nicht ich und auch sonst niemand hat das Recht ihre Unbeflecktheit zu zerstören. Bilder rasen durch meinen Kopf. Wie ich sie nehme. Sie an mich presse. Sie lecke. Und im selben Moment schäme ich mich für meine dreckigen Gedanken, diese lüsternen schmutzigen Fantasien, die ich habe, seit ich sie das erste Mal sah. Moa wird aus dem Gang mit den Duschlotionen und Shampoos auf mich zugeschoben. Gleich nach ihrem Gesicht, sehe ich das Gesicht des Mannes, der sie schiebt. Jetzt stoppt er und geht um den Rollstuhl herum. Ein Herzinfarkt könnte sich nicht schrecklicher anfühlen! Er küsst sie auf ihre bleichen Lippen! Beschmutzt sie mit seinem Speichel und ich muss das mitansehen. Ich glaube ich stöhne laut auf, denn nun hält der Mann inne und schaut mich erstaunt an. Ich spüre, wie mir die Kontrolle über meinen Körper entgleitet. Wie kann er es wagen, sie zu berühren? Sie mit seinen ekligen Lippen zu berühren? Mein Leib zittert. Ich halte mit beiden Armen meinen Oberkörper fest. Ich kann nicht wegsehen. Muss sie die ganze Zeit anstarren. Jetzt kommen sie zu mir, wollen bezahlen. Der Mann streckt mir einen Gegenstand hin und ich nehme ihn automatisch. Kurz sehe ich auf das orange Preisschildchen und tippe mechanisch den Betrag ein. 6,99€. Jetzt sehe ich Moa lächeln und meine Knie werden weich. Ich habe sie noch nie lächeln sehen. Ihr Lächeln gilt jedoch nicht mir. Dümmlich lächelt sie ihren Begleiter an und ich meine einen leicht frivolen Ausdruck in ihren Augen zu erkennen. Meine Welt bricht in sich zusammen, denn ich begreife, dass Moa nicht rein ist. Meine Moa! Sie ist so schlüpfrig, wie alle anderen Huren. Das was gerade in ihren Augen stand, sprach Bände. Sie hat Sex! Meine heilige, reine Moa! Sex mit diesem Kerl. Mir ist schwindlig. Lange nachdem die beiden gegangen sind, kann ich mich nicht bewegen. Ich sitze noch immer hinter der Theke und kann es nicht fassen. Mein Glaube ist dahin. Der Glaube, dass es noch gute, reine Frauen gibt. Ich möchte sie am liebsten alle vernichten. Jetzt sofort! Alle! Ich werde mir heute noch eine krallen. Eine muss für das bezahlen, was ich gerade durchmache! Meine Welt ist auseinandergebrochen. Die Einsamkeit bricht gerade über mich herein. Völlig unvermittelt spüre ich wie allein ich bin. Curly ist weg. Mutter ist weg. Und meine Moa hat sich eben in Luft aufgelöst. Diese Frau meiner Fantasie, der ich eine so ungewöhnlichen Namen gab, weil sie so außergewöhnlich war ist verschwunden. Es gibt sie einfach nicht mehr. Von einem Moment auf den anderen. Wer bleibt noch für mich? Wer der Kerl war, der meinen Samen in Mutter eingepflanzt hat, weiß ich nicht. Es hat mich auch niemals wirklich interessiert. Nie hatte ich diese Sehnsucht meinen Vater zu finden. Ich hatte Mutter. Sie war genug. Sie hat mich geliebt. Sich um mich gesorgt. Und ich war alles für sie. Gab ihr alles, was sie brauchte. Eine ganze Zeit lang, bis die Kerle kamen. Sicher wäre sie noch hier, wären diese Kerle nicht in unser Leben gekommen. Sie haben alles zerstört. Endlich habe ich genug Wut in mir, dass ich mich wieder rühren kann. Ich schiebe die Kasse zu und greife mir den Ladenschlüssel. Das Gitter macht einen Höllenlärm, wie es nach unten gleitet und dann gehe ich nach Hause. Eine Frau zu finden, die Curly ersetzen kann ist nicht so leicht, aber das ist heute auch nicht meine Priorität. Heute will ich nur getröstet werden. Ich will abgelenkt werden von meiner Traurigkeit, Moa verloren zu haben. Wo soll ich suchen? Im Pub? Oder besser vor dem Pub. Ich könnte auch später in der Nacht die Straße abfahren, sowie neulich, als ich Kimmy und Amber besoffen gefunden habe. Das war ein echter Glücksfall. Gleich zwei auf einmal. An ihnen hatte ich lange Spaß. Das war prima! Aber so ein Glück hat man nicht alle Tage. Vielleicht sollte ich mir gleich Moa selbst holen. Sie ist schließlich dafür verantwortlich, dass ich mich so schlecht fühle. Ich könnte sie dafür bestrafen mich so enttäuscht zu haben. Der Gedanke gefällt mir. Aber wie komme ich an sie ran? Ich könnte nachts in ihr Haus einbrechen. Der Kerl ist dann vielleicht schon wieder weg. Und wenn er noch bei ihr ist, dann werde ich einen Weg finden, ihn auszuschalten. Ja, das ist ein guter Plan. Ich werde meinen Frust direkt an Moa auslassen. Diese hinterhältige Nutte hat es nicht besser verdient. Mich jahrelang so zum Narren zu halten! Und bei der Gelegenheit kann ich gleich einmal in Erfahrung bringen, wie ihr echter Name eigentlich lautet. Sicher ein Name, der pure Schamlosigkeit ausdrückt. Sandy oder Cristal. Ich denke viel nach und es fällt mir das Werkzeug ein, das in der Garage ist. Der letzte Kerl, den Mutter in unser Haus geholt hat, hat es dort deponiert. Er braucht es nicht mehr. Ich könnte es benutzen. In der Garage öffne ich die Klappe meines Pick-ups und werfe den schweren Werkzeugkoffer auf die Ladefläche. Dann breite ich alles darauf aus. Ein Heiliger war der Typ sicher nicht. Ich finde einen Bolzenschneider, ein Brecheisen und verschiedene Sägen. Aber das Beste ist ein Schlüsselbund mit einer Menge Dietriche dran. In allen Größen. Wenn mir das Glück nur ein ganz klein wenig mitspielt, dann hat Moas Haus noch ein altes Schloss. Das Haus ist alt, das ist also durchaus wahrscheinlich. Ich krame alles wieder zusammen und werfe es zurück in den Werkzeugkasten. Ich werde mich gleich bei Moas Haus auf die Lauer legen. Das macht sicher Spaß sie bei ihren letzten Tätigkeiten zu beobachten. Bald gehörst du mir. Wer hätte das gedacht? Ich ganz sicher nicht. Ich dachte, sie würde für immer mein unschuldiger Engel bleiben. Jetzt merke ich wie sehr ich sie will. Mein Unterleib kribbelt und ich muss eine andere Hose anziehen. Mein Herz hämmert so gewaltig, dass ich nach Luft schnappen muss. Es ist aufregend, wie sehr sie mir die Luft rauben kann. Ich schwitze schon bei der Vorstellung. Wie unvorstellbar muss es sein, sie in echt zu vögeln. Auf dem Weg ins Schlafzimmer hüpft mein Magen auf und ab. Ich streife meine Arbeitshose ab und da sehe ich ihn. Er ist schon bereit. Einen kurzen Moment überlege ich ihn gleich glücklich zu machen, aber dann entscheide ich mich zu warten. Ich muss an mir arbeiten. Ich darf nicht immer gleich nachgeben. Und außerdem sagen die Menschen immer Vorfreude ist die schönste Freude! Das ist völliger Unsinn! Ich habe es eben getestet. Es war überwältigend! Alles in mir fühlt sich leicht an und selig irgendwie. Warten ist was für Versager, für Feiglinge! Es war gigantisch und später, wenn Moa mir in Person Gesellschaft leisten wird, wird es noch geiler werden! Jetzt passt die Hose wenigstens wieder. Ich muss lächeln, als ich mich anziehe, obwohl ich noch immer sauer auf Moa bin, mich so hintergangen zu haben. Das wird sie bereuen, heute noch. In der Küche schmiere ich mir ein paar Brote. Mein Abendessen. Ich werde sie im Auto essen, wenn ich das Haus observiere. Observieren ist ein tolles Wort. Ich hab es aus einem Krimi aufgeschnappt. Dann packe ich noch zwei Flaschen Bier in die Tasche und setze mich in den Pick-up. Mit geschlossenen Augen spüre ich die Erregung nach, die durch meinen Körper fließt, wie glühende Lava. Die Vorstellung Moas transparente Haut zu zerreißen lässt das Blut in meinen Schwanz schießen. Schon wieder! Er ist nicht zu sättigen. Moas Haus steht ein wenig abseits. Das kommt mir mehr als gelegen. Schon bei meinen nächtlichen Besuchen in der Vergangenheit war das der Fall. Es steht nach einer Kurve in der Straße allein in der Landschaft. Das hast du schlecht ausgewählt Moa. Hier sieht niemand her, außer er legt sich nach dir auf die Lauer. Ich muss so lachen, dass mir ein Stück Erdnussbutterbrot aus dem Mund fällt. Ich suche danach auf meinem Bauch und stecke es wieder in meinen Mund, als ich es finde. Ich habe Hunger, habe den ganzen Tag noch nichts Anständiges gegessen. Es dämmert bereits. Ich habe den Pick-up unter einer Platane geparkt und kann von hier aus prima in die Fenster sehen, die zu meiner Seite zeigen. Da ist auch dein Wohnzimmer. Es brennt schon Licht, aber du bist nicht zu sehen. Vielleicht bist du im Rollstuhl zu niedrig, als dass ich dich sehen könnte. Quatsch! Ich habe dich doch schon gesehen. Nur deinen Kopf, aber immerhin. Dein Schlafzimmer ist auf der anderen Seite. Um da reinzusehen müsste ich aussteigen. Doch dafür ist es noch zu früh. Damit warte ich, bis es dunkel ist und du schlafen gehst. Der Höhepunkt bisher war immer, wenn du aufstehst und dich für einen kurzen Moment auf deinen zarten Beinen hältst, bevor du dich in dein Bett fallen lässt. Ich hab das schon viele Male gesehen und nicht einmal hat mich mein Schwanz dabei im Stich gelassen. Mal sehen wie es heute wird, wenn ich bei dir bin. Dein Kerl ist auch nirgends zu sehen. Sicher seid ihr in der Küche beim Abendessen. Was gibt es? Was ist deine Henkersmahlzeit, Moa? Ich hoffe mal dein Typ hat etwas ganz Besonderes für dich gekocht. Aber da bin ich sicher, schließlich will er dich ja heute noch flachlegen. Oder habt ihr das schon getan? Grummeln dröhnt durch meinen Bauch. Ich hoffe mal nicht. Du gehörst heute mir. Und wenn alles gut läuft, dann auch noch die nächsten Tage, vielleicht Wochen, wenn ich dich auf Eis lege. Meine Brust zerspringt fast vor Vorfreude. Jetzt tut sich etwas hinter der Gardine. Dein Kerl kommt ins Wohnzimmer, aber ohne dich! Und ohne ein Shirt. Wo bist du? Liegst du schon im Bett? Habt ihr es gerade getrieben? Ich spüre wie mir dieser Gedanke gewaltig zusetzt. Ich muss es wissen. Scheiß auf Dunkelheit! Ich steige aus und renne direkt hinters Haus. Im Schlafzimmer brennt auch schon Licht. Also seid ihr dort gewesen. Oder du bist noch dort. Jetzt muss ich eingreifen. Ich renne wieder nach vorne und gehe direkt an deine Tür. Mit Kraft haue ich meine Faust ans Holz. Ich kann selbst hören wie bedrohlich das klingt. Mein Gesicht scheint in Flammen zu stehen. Es glüht wie verrückt und von Sekunde zu Sekunde wird es noch heißer. Endlich höre ich den Schlüssel. Ihr habt zweimal abgeschlossen. Das ist ja lächerlich! Habt ihr Angst vor Einbrechern? Wieder muss ich so hart lachen, dass ich mit Sicherheit wieder etwas ausgespuckt hätte, hätte ich etwas im Mund gehabt. Als sich die Tür öffnet, macht mich die Tatsache, dass dein Kerl nur eine Boxershorts trägt, derart wütend, dass ich ihm mein Messer reinrenne, noch bevor er A sagen kann. Mit einem total blöden Gesichtsausdruck schaut er mich an bevor er zu Boden geht. Er sagt gar nichts, schaut bloß erschrocken und dann steche ich es ihm nochmal rein und nochmal bis seine Augen zu sind. Ich komme Moa! Ich ziehe die Tür hinter mir zu und steige über seinen Body. Der ist ziemlich gut trainiert. Nicht so wie meiner. Ich bin ein Couchpotato. Aber die Frauen stehen trotzdem auf mich. Wenn ich sie einmal von mir überzeugt habe, schauen sie nicht mehr aufs Äußere. Dann lieben sie mich so wie ich bin. Moa ich komme! Ich laufe durch den Flur und kann sie schon rufen hören. Wer war das an der Tür fragt sie. Sie wird es gleich wissen. Mein Herz klopft gegen meine Brust und mir ist schwindlig vor Freude. Wenn ich Glück habe, liegt sie schon im Bett und ich brauche nur noch zu ihr schlüpfen. Als ich meinen Kopf durch die Tür stecke fängt sie an zu schreien. Sie schreit und schreit! Wieso denn? Sie kennt mich doch. Sie war heute bei mir einkaufen. Jetzt dämmert mir warum sie so brüllt. Meine Hand ist voller Blut von ihrem Lover. Mein Fehler. Ich hätte das Blut vorher abwaschen sollen. Aber an was soll ich noch alles denken? Schließlich ist das kein Höflichkeitsbesuch. „Halt die Klappe!“, schnauze ich sie an und es funktioniert. Augenblicklich ist völlige Ruhe. Die Augen weit aufgerissen glotzt sie mich an. Jetzt kann ich sie sehen. Ihre Verderbtheit. Sie hat sich ihre Lippen angeschmiert und trägt sowas wie Reizwäsche. Das ist ein Schlag in meine Magengrube. Wie verdorben bist du Moa? „Was gabs zum Abendessen?“, frage ich sie und sie glotzt mich dämlich an. „Oder habt ihr noch gar nichts gegessen. Das wäre jetzt schade für dich!“ Moas Blick verklärt sich ein wenig. Ich habe das Gefühl sie kippt mir weg. Schnell greife ich unter ihren Nacken und stütze sie. Ich kann ihre Ablehnung spüren. Obwohl sie so schwach ist, wehrt sie sich gegen mich. Warum? Ich werde ihr gleich den geilsten sex ihres Lebens schenken. Sie wird mich dafür lieben. „Du brauchst keine Angst haben!“, sage ich deshalb, weil es stimmt ja, sie bekommt jetzt Zuwendung von mir. Vom Feinsten und sie darf meinen Schwanz liebkosen. So einen hatte sie ganz sicher bisher nicht. - To be continued -